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Hybridprüfstand

Die Zukunft des Fahrzeugbaus studieren

Die HAW Hamburg hat einen neuen Hybridprüfstand. Mit diesem können Studierende jetzt auch neue Antriebsarten von Fahrzeugen untersuchen und sich so noch besser auf die Herausforderungen des Arbeitsmarktes vorbereiten. Prof. Dr.-Ing. Hanno Ihme-Schramm und Prof. Dr.-Ing. Thomas Netzel erklären den Hybridprüfstand und die damit verbundenen Möglichkeiten und Veränderungen.

Prof. Hanno Ihme-Schramm (l.) und Prof. Thomas Netzel (r.) stehen vor einem Auto mit Hybridantrieb.

Prof. Hanno Ihme-Schramm (l.) und Prof. Thomas Netzel (r.) können mit dem neuen Hybridprüfstand das Lehrangebot erweitern.

„Für uns ist der Hybridprüfstand ein erster Meilenstein. Es hat drei Jahre gedauert, bis er umgesetzt wurde. Wir haben viel gelernt und sind nun glücklich, dass wir den Studierenden die neuen Antriebsarten in der Theorie und Praxis näherbringen können“, sagt Dr. Hanno Ihme-Schramm, Professor für Verbrennungsmotoren und Thermodynamik.

Mit dem neuen Prüfstand sind die Studierenden erstmals in der Lage nicht nur einen reinen Verbrennungsmotor oder einen elektrischen Antrieb zu untersuchen, sondern auch einen sogenannten Hybridantrieb, also einen Antrieb, der den klassischen Verbrennungsmotor mit einem elektrischen Antrieb verbindet. 

Der Studienschwerpunkt „Antrieb“ verändert sich

Auch in den Vorlesungen zum Thema spiegeln sich die Veränderungen in der Branche: „Wir haben bereits vor fünf Jahren begonnen, relevante elektrotechnische Inhalte in die Vorlesungen im Studienschwerpunkt „Antrieb“ aufzunehmen. Dadurch kann der Lernstoff zum Verbrennungsmotor nicht in allen Bereichen so umfassend behandelt werden wie zuvor“, erläutert Hanno Ihme-Schramm. Das Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau stimmt sich zudem laufend mit der Industrie ab.

Ein Beispiel dafür ist die modellbasierte Motorapplikation. Was das heißt, erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Netzel, Professor für Mess- und Regelungstechnik: „Wir erstellen ein virtuelles Motormodell mit dessen Hilfe zum Beispiel der Energieverbrauch eines Fahrzeugs minimiert wird. Die für die Optimierung von derart komplexen Systemen notwendigen methodischen Kenntnisse und Erfahrungen zu deren Anwendung werden an unserem Department vermittelt. Damit haben wir uns einen guten Ruf und große Nachfrage in der Automobilindustrie verschafft.“
 

Antriebs-Know-how unter Realbedingungen studieren

Der neue Prüfstand ist modular aufgebaut, ebenso wie sein digitaler Zwilling, der das System virtuell simuliert. Die Studierenden können aktuelles Antriebs-Know-how quasi unter Realbedingungen im geschützten Laborbetrieb lernen. Gleichzeitig ist die Systemarchitektur des Prüfstands und dessen digitale Simulation so gestaltet, dass auch zu aktuellen und zukünftigen Themen moderner Antriebssysteme geforscht werden kann.

Außerdem kann mithilfe des Hybridprüfstands der Weg von der Erzeugung der Energie (Kraftstoff oder Strom) über den Transport bis hin zum Verbrauch anschaulich dargestellt werden. An dieser sogenannten Wirkungsgradkette lässt sich ablesen, wie stark die Atmosphäre je nach Antrieb mit CO2 belastet wird. 

Dabei wird die CO2-Gesamtbilanz betrachtet, also wie viel CO2 von der Energieerzeugung (z.B. aus Windenergie) bis zum Verbrauch (Fahrzeug) tatsächlich entsteht. Im englischen Fachjargon heißt dieser Prozess „Well-to-Wheel“. „Diese Kenntnisse sind aus unserer Sicht das Fundament, das Antriebsingenieurinnen und -ingenieure für die Zukunft mitbringen sollten. Nur so kann das Thema CO2-arme Mobilität nachhaltig vorangebracht werden“, sagt Ihme-Schramm.

Ganzheitliches Denken bei komplexen technischen Systemen

Ein wichtiger weiterer Aspekt, um die Ingenieur*innen der Zukunft auszubilden, sei die Förderung des ganzheitlichen Denkens bei komplexen technischen Systemen, so Netzel. Der modulare Aufbau des Prüfstandes eigne sich hierfür sehr gut.

Teilsysteme des Prüfstands, deren Funktion und Anwendung von der Batterie bis zum Antrieb, von der Messung bis zur Datenauswertung, werden vorab im Studium vermittelt. Im Hybridprüfstand wirken diese im Gesamtsystem zusammen. „Hier ist es für die Studierenden wichtig, einen Überblick zu erhalten und insbesondere zu wissen, in welchem Zusammenhang Teilsysteme- und deren Funktionen zueinanderstehen“, erklärt der Professor für Mess- und Regelungstechnik. 

Bei den Prüfstandmessungen werden große Datenmengen erzeugt. Die Studierenden bereiten diese auf, erkennen auftretende Muster und analysieren sie im Hinblick auf relevante Ereignisse und deren Ursachen. Dabei gewinnen sie Erkenntnisse unter Anwendung von Data-Science-Methoden.

Insgesamt ist die Einbindung des Prüfstands in Studium und Lehre so gestaltet, dass die Studierenden sich in Teams die Aufgaben teilen und kooperativ arbeiten. „Wir wollen damit überfachliche Skills wie die Personal-, Sozial- und Methodenkompetenz stärken. Dies sind wichtige Voraussetzungen für zukünftige Ingenieurinnen und Ingenieure in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Branchen“, fügt Netzel hinzu.
 

Das Elektroauto hat in der Stadt seine großen Vorteile, muss aber vom Kunden auch akzeptiert und gekauft werden.

Prof. Dr. Hanno Ihme-Schramm, Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau

Wie sieht die Zukunft der Antriebstechnik aus?

„Betrachtet man die zukünftige Entwicklung der Antriebstechnik, dann bin ich überzeugt, dass in den nächsten Jahren noch sehr viel passieren muss, damit sich der CO2-Ausstoß durch Automobile deutlich reduziert und die Grenzwerte eingehalten werden können“, erklärt Ihme-Schramm.  

Der Hybridprüfstand bietet den Studierenden der HAW Hamburg darüber hinaus die Möglichkeit, auch auf diesem Gebiet zu forschen. „Studierende haben die Möglichkeit, in interdisziplinären Projekten zu arbeiten“, sagt Netzel. Durch den aktiven Austausch des Departments mit der Automobilindustrie können aktuelle Probleme in Studienprojekten und Abschlussarbeiten aufgegriffen und bearbeitet werden. „Die Bereiche Studium und Lehre sowie Forschung und Transfer werden dadurch attraktiver“, verdeutlicht Netzel.

Ihme-Schramm ist überzeugt: Die Verbraucher*innen nutzen die Fahrzeuge auf verschiedene Weise. Zum Beispiel als Stadtauto oder für die Langstecke. Deshalb werde der Verbrennungsmotor auch weiterhin benötigt, könnte aber durch die Nutzung von E-Fuels und Wasserstoff seine CO2-Bilanz verbessern. „Das Elektroauto hat in der Stadt seine großen Vorteile, muss aber vom Kunden auch akzeptiert und gekauft werden. Zusätzlich hilft uns an dieser Stelle nur regenerativer Strom und eine Ausweitung der Ladestrominfrastruktur weiter. Das wird sicherlich spannend in den nächsten Jahren.“

(Text: Ted Koob)
 

Kontakt

Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau

Prof. Dr. Hanno Ihme-Schramm
Professor für Verbrennungsmotoren und Thermodynamik
T +49 40 428 75-7905
hanno.ihme-schramm (at) haw-hamburg (dot) de

Prof. Dr. Thomas Netzel
Professor für Mess- und Regelungstechnik
T +49 40 428 75-7890
thomas.netzel (at) haw-hamburg (dot) de

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