Das Nutzlast-Reichweitendiagramm für die verschiedenen Versionen der A321neo (Airbus 2020).
Am Beispiel des Nutzlast-Reichweitendiagramms von Airbus können weitere Erkenntnisse abgelesen werden. Das Nutzlast-Reichweitendiagramm wird i.d.R. einfach so gezeichnet, dass es aus Geraden zusammengesetzt wird. An der grünen Linie (93,5 t) wird deutlich, dass die Linien bei genauer Rechnung und Darstellung eine schwache Krümmung aufweisen.
Im Vergleich der lila Linie (89 t) und der grünen Linie (93,5 t) wird deutlich, dass die Linie B-C nach oben rechts verschoben wird mit steigendem MTOW. Das geht so weit, bis die Linie A-B und die Linie C-D zusammentreffen. Die Punkte B und C sind dann identisch.
Wenn bei gleicher Abflugmasse Zusatztanks eingebaut werden, dann verringert deren Leermasse die Nutzlast. Das wird deutlich im Diagramm bei der maximalen Nutzlast (horizontale Linie A-B) und dort, wo es zu einer Begrenzung durch MTOW kommt (Linie B-C).
Wenn der Punkt C zu höheren Reichweiten (horizontal) verschoben werden soll, dann ist eine Erhöhung des MTOW und zusätzlich eine Vergrößerung des Tanks notwendig.
Flugzeuge werden so entworfen, dass sie den Kraftstoff zuerst in den Flügeln aufnehmen. Wenn mehr Volumen erforderlich ist, dann kommt der Flügelmittelkasten hinzu, wie es standardmäßig bereits bei allen Flugzeugen der A320-Familie der Fall ist. Weiterer Kraftstoff kann in den Leitwerken untergebracht werden, was auch die Anpassung des Flugzeugschwerpunktes während des Fluges erlaubt. Die A321 nutzt die Leitwerke nicht. Es werden Zusatztanks im Frachtraum genutzt. Die LR nutzt bis zu drei Additional Center Tanks (ACT). Die XLR nutzt einen großen Rear Center Tank (RCT) der hinter dem Fahrwerkschacht positioniert ist. Optional gibt es zusätzlich einen kleineren Zusatztank vor den Flügeln.
Das erweiterte Nutzlast-Reichweitendiagramm der A321 XLR aus der Bachelorarbeit zeigt zwischen der Linie für die Nutzlast (blau) die Kraftstoffmasse (bis zur gelben Linie). Die maximale Abflugmasse (MTOW) ist die obere Grenze der Massen.
Der Kraftstoffverbrauch
Selbst dann, wenn kein Nutzlast-Reichweitendiagramm gegeben ist kann aus wenigen öffentlichen Daten mit guter Näherung der Kraftstoffverbrauch errechnet werden. Es werden vier Zahlen benötigt: die maximale Abflugmassen (MTOW), die Masse des voll beladenen Flugzeugs ohne Kraftstoff (MZFW), die maximale Reichweite (R) bei voller Beladung (also bei MZFW) und die Anzahl der Sitzplätze (SP). Damit ist dann
(MTOW – MZFW) / (R . SP) . 100 = Verbrauch
Beispiel Airbus A321XLR:
(101000 kg – 74374 kg) / (6750 km . 180) . 100 = 2,2 kg pro 100 km und Sitz
Bei einer Dichte von Kerosin von 0,8 kg/l sind das 2,75 l pro 100 km und Sitz.
Der so einfach errechnete Verbrauch fällt etwas zu hoch aus (vergleiche mit dem Diagramm unten), weil die Kraftstoffreserven als verbraucht angenommen werden. Der Vergleich zwischen zwei Flugzeugen ist auf jeden Fall gut möglich.
Genauer geht es, wenn die Kraftstoffreserven korrekt berücksichtigt werden und die anfänglich hohen Verbräuche durch Start und Steigflug. Die Energie, die das Flugzeug durch seine Höhe gespeichert hat kann nicht vollständig im Sinkflug genutzt werden, etwa dann, wenn Geschwindigkeitsbremsen (Spoiler) gefahren werden. Die Rechnung wird für alle Reichweiten durchführt. Es wird beachtet, dass bei großen Reichweiten wegen der begrenzten Nutzlast nicht alle Sitze belegt werden können. Mit diesen Überlegungen ergeben sich die Kraftstoffkurven des A321 XLR berechnet in der Bachelorarbeit aus dem Nutzlast-Reichweitendiagramm und dem Werkzeug unter https://doi.org/10.7910/DVN/2HMEHB (Excel-Datei vom 01.07.2021, Scholz).
Es fällt auf, dass der Kraftstoffverbrauch stark von der Flugstrecke abhängt. Über einen weiten Einsatzbereich (bei mittlerer Flugstrecke) ist der Kraftstoffverbrauch vergleichsweise konstant. Der Kraftstoffverbrauch pro Sitzplatz steigt stark an, wenn sehr kurze oder für das Flugzeug sehr lange Strecken geflogen werden. Auf kurzen Strecken kann der Verbrauch hoch sein. Im Beispiel ist der Verbrauch bei 500 km doppelt so hoch wie der minimale Verbrauch des Flugzeugs. Der Verbrauch sinkt mit der Anzahl der Personen an Bord. Ab einer Reichweite der Nutzlast maximaler Passagierzahl (Punkt X) steigt der Verbrauch an, weil für diese Flüge nicht mehr alle Plätze besetzt werden können. Im Bild gehen die Linien unterschiedlicher Passagierzahlen an verschiedenen Stellen in die braune Linie über, die zunächst für 240 Passagiere steht bei großen Reichweiten aber eine entsprechend kleinere Passagierzahl meint.
Ein vollbesetzter PKW mag pro Person auf geringere Verbräuche kommen. Erstaunlich ist aber doch, dass ein Passagierflugzeug solche geringen Verbräuche pro 100 Kilometer bei so hohen Geschwindigkeiten erreicht. Die hohen Geschwindigkeiten ermöglichen andererseits auch lange Strecken in begrenzt verfügbarer Zeit zurückzulegen. Das führt dann zu hohen absoluten Verbräuchen und großen ökologischen Fußabdrücken.
Die Betriebskosten
Direct Operating Costs (DOC) wurden berechnet für Airbus A321LR, A321XLR und A330‑9neo. Durch den A330‑9neo in der Rechnung kann mit einem größeren Flugzeug verglichen werden. Drei DOC-Missionen werden verglichen mit Flugstrecken von 5600 km, 6500 km und 7400 km. Der Rechnung liegt die TU Berlin Methode zugrunde. Kostenelemente der Methode sind Kapitalkosten (Abschreibung), Gebühren (Handling, Landegebühren, Flugsicherungsgebühren), Kosten der Crew, Wartungskosten und Kraftstoffkosten.
Zunächst noch einmal zum Kraftstoffverbrauch. Gezeigt ist der Verbrauch der drei genannten Flugzeuge im Vergleich bei dichter Kabinenbestuhlung und herausgehoben der Verbrauch für die im Folgenden zu untersuchenden DOC-Missionen. Es handelt sich um drei moderne Flugzeuge. Man kann das Ergebnis so zusammenfassen. Wenn große Reichweiten möglich sein sollen, so muss auf kürzeren Strecken dafür ein etwas höherer Verbrauch in Kauf genommen werden.
Die Betriebskosten pro Flug sind bei der A330-9neo natürlich höher. Das liegt einfach daran, dass das Flugzeug größer ist. Solange das Flugzeug vollbesetzt ist, sind die errechneten Sitzkilometerkosten (seat-mile-costs) wichtig. Hier ergeben sich fast durchgehend gleiche Werte, sowohl über die Flugzeuge als auch über die verschieden langen Flugstrecken. Die absoluten Ergebnisse der Methode sind nicht grob falsch, aber aufgrund der vielen Erfahrungsfaktoren in der DOC-Methode nur mit Vorsicht anzuwenden.
Die Umweltwirkung
Um die Umweltwirkung eines Passagierflugzeuges zu bewerten wurde ein "Ecolabel for Aircraft" entwickelt (http://ecolabel.ProfScholz.de). Das Label ist dem Energielabel der EU nachempfunden und ist u.a. von den Kühlschränken bekannt. Die Bewertung in A bis G und das "Overall Rating" werden im Vergleich mit aktuellen Passagierflugzeugen und Triebwerken aus einer großen Datenbasis ermittelt. Der Airbus A321LR schneidet als Flugzeug mit modernen Triebwerken gut ab.
Fazit
Beim Anblick des komfortablen Kabinenlayouts mit wenigen Passagieren wie bei JetBlue kam bei einigen Beobachtern die Idee auf, dass A321LR und A321XLR die kommunizierten Reichweiten womöglich nur aufgrund verringerter Nutzlast schaffen. Das ist nicht der Fall.
Wegen der Zusatztanks in Verbindung mit der Erhöhung der Abflugmasse werden große Reichweiten auch mit voller Kabine erreicht. Die meisten Airlines nutzen eine übliche enge Bestuhlung.
Beim Airbus A380 wurde beobachtet, dass ein großes Flugzeug gelegentlich nicht voll wird. Das war ein Grund für die wirtschaftlichen Probleme des A380. Mit A321LR und A321XLR geht Airbus jetzt den entgegengesetzten Weg und bietet ein für lange Strecken eher kleines Flugzeug an.
Ein Kostenvorteil durch Größe (Economy of Scale) fällt weg. Wenn eine zweiköpfige Cockpitbesatzung mehr Passagiere gleichzeitig befördert, dann ist das ein Vorteil. Ebenso ist der spezifische Verbrauch von großen Strahltriebwerken geringer als der von kleinen Strahltriebwerken.
Aber nicht bei allen Kostenelementen kann so eingespart werden. Auf der Einnahmenseite ist positiv, dass Direktverbindungen tendenziell höhere Erlöse einbringen als Umsteigeverbindungen. Für Kunden, die die großen Reichweiten nicht benötigen bleibt die Standardvariante die beste Wahl.
Von "Zero Emission" oder "Net Zero" sind LR und XLR noch weit entfernt, aber im Vergleich mit anderen Flugzeugen steht eine A321neo mit Blick auf das "Ecolabel for Aircraft" auch als LR oder XLR nicht schlecht da
Quelle und Leseempfehlung
FONSECA, Diego, 2021. Direct Operating Costs, Fuel Consumption, and Layout of the Airbus A321LR. Bachelor Thesis. Hamburg University of Applied Sciences, Aircraft Design and Systems Group (AERO). Available from: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:18302-aero2021-12-06.014.
SCHOLZ, Dieter, 2022-08-02: Airbus A321 LR & XLR – Flugmechanik, Verbräuche, Betriebskosten, Umwelt. In: airliners.de. Available from: https://www.airliners.de/hintergrund-airbus-a321-lr-xlr-flugmechanik-verbraeuche-betriebskosten-umwelt/65752
Hier archiviert (und für alle sichtbar):
https://perma.cc/7T2U-GHPG und https://perma.cc/VV9T-YL9Y (als PDF)
Text: Prof. Dr. Dieter Scholz