Autonome Miniatur-Fahrzeuge

Ganz klein auf großer Fahrt

Prof. Stephan Pareigis und Prof. Tim Tiedemann forschen zu autonomen Miniaturfahrzeugen. Ihr Thema wird kommenden Mittwoch im Zentrum des wednesday@TI_researchlab stehen - einer Veranstaltung, die das Prodekanat Forschung der Fakultät TI organisiert. Dort wird Pareigis über sein Forschungsfeld referieren. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, in Kleingruppen das zuhegörige Labor zu besichtigen.

Autonome Fahrzeuge ganz Klein - das Forschungsfeld von Prof. Dr. Stephan Pareigis und seinen Kollegen.

Selbst die größten Abenteuer können winzige Helden haben. Und in Zeiten, in denen Maschinen lernen und selbstständig handeln können, müssen deren Protagonisten nicht mehr unbedingt Menschen oder heroische Fabeltiere sein. Das Miniatur-Wunderland ist nicht nur eine der größten Touristenattraktionen Hamburgs, es ist auch ein Experimentierfeld ganz nach dem Geschmack von Prof. Dr. Stephan Pareigis und seinem Kollegen Prof. Dr. Tim Tiedemann. Beide erforschen an der HAW Hamburg Aspekte autonomer Mobilität. Pareigis wird am kommenden Mittwoch im wednesday@TI_researchlab sein Forschungsfeld vorstellen, im Anschluss wird es noch die Möglichkeit geben, in Kleingruppen da zugehörige Labor zu besichtigen.

Alles in Klein  im Miniatur-Wunderland

Hier, in der größten Modellbahn-Anlage der Welt, mit eigenem Straßen- und Wasserwegenetz, hat das miniaturisierte Frachtschiff der HAW Hamburg schon so manche große Fahrt unternommen. Die nHAWigatora ist etwa einen Meter lang und wird von zwei Raspberry-Pi-Computern gesteuert. Sie vermisst ihre jeweilige Umgebung mit einem Lidar-Laserscanner, trägt Infrarot-Entfernungsmesser rund um die Reling und „sieht“ mittels Farbkamera auf einem Turm am Heck. Elektrisch angetrieben fährt das Schiff wie seine großen Vorbilder mit Heckpropeller und Querstrahlrudern. Großen Anteil an seiner Fortentwicklung haben Studierenden-Gruppen, deren Projekte hier im Wunderland ihre Wasserprobe bestehen: „Sie benutzen unser Land wie einen Spielplatz, auf dem sie dann mit ihren autonomen Fahrzeugen unterwegs sind. Zunächst war es nur das Schiff, dann kamen Autos dazu und schließlich noch die Flugdrohne“, sagt Daniel Wolf, Miniatur-Software-Entwickler am Miniatur Wunderland. Die Forschenden haben sich zum Ziel gesetzt, die gesamte intelligente Elektronik, Antrieb und Energiequelle in möglichst kleine Fahrzeuge zu integrieren – Miniatur-Autonomie heißt das Konzept. Viele Miniaturisirrungsimpulse stammen aus jahrelanger Erfahrung mit Landfahrzeugen – immer winziger wurden die Autos im Laufe der Zeit, immer kleiner und leichter Elektronik und Sensorik, längst gibt es selbstfahrende Miniatur-Pkws, für die zum Maßstabsvergleich ein Zwei-Euro-Stück genügt.

Wir haben gelernt, dass man für die Miniatur-Autonomie vieles ganz neu denken muss.

Prof. Dr. Tim Tiedemann

Auch im Wettbewerb hat sich der Fuhrpark vom Berliner Tor zur Freude der zahlreich beteiligten Studierenden bewährt: „Regelmäßiges Highlight ist der Carolo-Cup, den die TU Braunschweig jährlich ausrichtet“, sagt Stephan Pareigis. „Dort treten unsere Fahrzeuge gegen die Konzepte anderer Teams an.“ Der Kampf um die Trophäen erfordert autonome Parcours-Fahrten, Hindernisvermeidung und Einparken, allerdings nicht so eine radikale Miniaturisierung wie die Maßstäbe der nHAWigatora (1:100) oder des Wunderland-Standards H0 (1:87): Die Carolo-Konkurrenten sind „nur“ zehnmal kleiner als ein echtes Auto.
Jeder kann heute im Alltag täglich erleben, wie mächtig miniaturisierte Technik bereits ist: Aktuelle Smartphones enthalten Kameras und Mikrofone, GPS- Lokalisation, Näherungs-, Beschleunigungs-, Umgebungslicht- und Rotationssensor, elektromagnetische Sonden und einen digitalen Kompass. Sensorik in kleinster Form ist bereits marktüblich – in bewegliche Systeme verbaut, lässt sich das Experimentieren mit ihnen aber regelrecht auf die Spitze treiben. Denn sie bewegen sich, wie das Schiff, die Drohne oder das Mikro-Auto durch die reale, physische Welt.

Klein macht Freude

Stephan Pareigis sagt, warum gerade das für die Forschung so fruchtbar ist: „Algorithmen und Konzepte lassen sich in der Computer-Simulation gut testen, mit Millionen Berechnungen pro Sekunde. Aber eine Lücke bleibt, der sogenannte Sim-to-Real-Gap, der Simulations-Realitäts-Spalt, die Lücke zwischen Simulation und Wirklichkeit. Es ist eine alltägliche Erfahrung: Wenn man etwas simuliert hat, funktioniert es oft in der Realität doch nicht wie erwartet, aus irgendeinem nicht vorhersehbaren Grund. Deshalb funktioniert wissenschaftliches Arbeiten nach wie vor so, dass wir immer wieder in kleinen Laborversuchsaufbauten unsere Verfahren testen und die Resultate analysieren.“ Ganz gleich, ob zu Lande, zu Wasser oder in der Luft – die großen Fragen sind immer: Funktioniert alles so, wie es zu erwarten wäre? Überraschungen sind dabei Experimental-Alltag, aber auch Inspiration. Die Miniatur-Autonomie liefert Forschenden die Realwelt-Erfahrungen kostengünstig, dank kleiner bewegter Massen ohne großes Unfallrisiko und auf einem reizvollen intellektuellen Niveau. Etwas immer kleiner zu machen, bringt schließlich nicht nur Erkenntnis, sondern auch Forschungsfreude. „Wir haben gelernt, dass man für die Miniatur-Autonomie vieles ganz neu denken muss“, sagt Tim Tiedemann. „Wir müssen viele neue Wege gehen, neue Algorithmen und Lösungsverfahren finden, die man in einem normalen Auto auf der Straße so nicht bräuchte, weil Sie dort einen großen, starken Rechner hineinpacken können, der Ihre Probleme dann schon lösen wird. Und zur Not packen Sie eben noch fünf Kameras hinzu.“

Im Trockendock

Zurzeit ist das Schiff daheim in der Hochschule, wo es, wie Tim Tiedemann sagt, sozusagen „im Trockendock“ mit neuen Fähigkeiten ausgestattet werden kann. Wie auch für die Straßenfahrzeuge der Miniatur-Autonomie-Forschenden gibt es in der HAW Hamburg selbst Teststrecken und -möglichkeiten. Die Forschung an Algorithmen, Antrieben und Automatisierungsstrategien schreitet weiter voran. Und so darf man sicher sein, dass so manches Fahrzeug unter HAW-Hamburg-Flagge wieder in der Modell-Szenerie der Hamburger Speicherstadt vor großem Publikum verkehren wird. Zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

Wednesday@TI_researchlab

Der wednesday@TI_researchlab findet am Mittwoch, den 14.12.2022 von 15 bis 16:30 Uhr am Berliner Tor 21 im Raum 110 statt.

In seinem Vortrag mit dem Titel "Miniature Autonomy: A realistic model environment for the development of artificial intelligence" wird Prof. Dr. Pareigis aus dem Department Informatik den Versuchsaufbau erklären. Im Anschluss haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, in Kleingruppen das Labor zu besichtigen. Das Prodekanat Forschung freut sich auf zahlreiches Kommen!
Fragen zur Veranstaltung richten Sie bitte an Dr. Ariane Ament.

Kontakt

Prof. Dr. Stephan Pareigis
Department Informatik
Professor für Angewandte Mathematik und Technische Informatik

Berliner Tor 7
20099 Hamburg
Raum 12.07

T +49 40 428 75-8153
T +49 40 428 75-8400
stephan.pareigis (at) haw-hamburg (dot) de

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