1. Hamburger Ingenieur*innen Gipfel 2023

Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel in der Metropolregion

Immer mehr deutschen Firmen fehlen Fachkräfte. Das ergab die jüngste ifo Konjunkturumfrage aus dem August 2023, bei der etwa 9.000 Unternehmen befragt wurden. Demnach finden im Maschinenbau derzeit etwa 41 Prozent der befragten Firmen keine geeigneten Mitarbeitenden. Was bedeutet diese Entwicklung für die Metropolregion Hamburg? Wie können wir junge Menschen für ein ingenieurwissenschaftliches Studium begeistern? Und wie finden Unternehmen passende Mitarbeitende?

Studierende und Angestellte des Departments Maschinenbau und Produktion im Labor Fügetechnik

Immer weniger junge Menschen studieren Maschinenbau. Welche Folgen bringt das mit sich? Diese und viele andere Fragen werden auf dem 1. Hamburger Ingenieur*innengipfel diskutiert.

Um diese Fragen zu klären, hat Prof. Dr.-Ing. Enno Stöver, Leiter des Departments Maschinenbau und Produktion an der Fakultät Technik und Informatik, am 26. September zum 1. Ingenieur*innengipfel eingeladen. Zusammen mit dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Nord (VDMA), dem Verein Deutscher Ingenieure VDI e.V. Landesverband Hamburg, Hamburg Aviation, der Innovations Kontakt Stelle Hamburg, der Technischen Universität Hamburg sowie der Helmut-Schmidt-Universität möchte er eine Plattform schaffen, um miteinander ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu finden.

Prof. Stöver, Sie organisieren am 26. September den ersten Ingenieur*innengipfel bei uns an der HAW Hamburg. Dafür haben Sie nicht nur Wissenschaftler*innen und Studierende eingeladen, sondern aktiv Unternehmen, Verbände, Schulen und die Politik miteinbezogen. Warum?
Der 1. Hamburger Ingenieur*innen Gipfel steht unter der Überschrift „Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel in der Metropolregion“. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine breite Beteiligung in dieser Diskussion brauchen. Der Fachkräftemangel und insbesondere damit verbunden der fehlende Nachwuchs in den technischen Berufsfeldern passt nicht zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, die auch technischer Lösungen und Innovationen bedürfen. Es ist notwendig, den gesamten Bildungs- und Qualifizierungsweg von der Schule bis zu den akademischen Abschlüssen unter Berücksichtigung der Ausbildung in den Blick zu nehmen. Deshalb haben wir auch Vertreter*innen der Schulen, Schüler*innen und auch Engagierte in aktuellen Initiativen eingeladen. Es existiert eine Vielzahl von wertvollen und großartigen Initiativen im MINT-Bereich, die es neu zu bündeln gilt, damit wir dem Rückgang bei Studienanfänger*innen und Auszubildenden entgegentreten können.

Wie erklären Sie sich den aktuellen Fachkräftemangel?
Zunächst ist die Demografie als starker Faktor zu berücksichtigen, die aktuell in alle Berufsfelder hineinwirkt. Der Fachkräftemangel wird branchenübergreifend beklagt. Für die technischen Berufsfelder kommt sicherlich erschwerend hinzu, dass aufgrund des hohen Wohlstands in unserem Land eine gewisse Behäbigkeit einsetzt. Ein technisches Studium und auch Ausbildungen in technischen Berufen sind nicht einfach, sondern setzen das Verständnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge und mathematische Fähigkeiten voraus. Es bedarf Anstrengungen, um hier erfolgreich zu sein. Demgegenüber stehen aber immer noch hervorragende Berufsaussichten, auch und insbesondere in der Metropolregion Hamburg in Industrie und Mittelstand. Zudem gibt es zusätzlich ein Image-Problem: In Zeiten, in denen Automobile nicht mehr als Statussymbole gelten, Fliegen als klimaschädlich gilt und große Kraftwerke abgeschaltet werden, ist das Marketing über die großen Industrieplayer der Vergangenheit schwieriger geworden. Wichtig wäre hier, neu aufzuzeigen, was auch gerade diese Unternehmen in den letzten Jahren geleistet haben, um neue Lösungen für eine positive Zukunft zu entwickeln. Elektromobilität braucht immer noch eine gute Crashzelle des Automobils, erneuerbare Energie intelligente Netze und Austausch zwischen Staaten und Unternehmen in einer globalisierten Welt, auch im Kontext von „Green Aviation“.

Der Fachkräftemangel und insbesondere damit verbunden der fehlende Nachwuchs in den technischen Berufsfeldern passt nicht zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, die auch technischer Lösungen und Innovationen bedürfen.

Prof. Enno Stöver, Leiter des Departments Maschinenbau und Produktion

Wie wirkt sich der Fachkräftemangel aktuell auf Unternehmen aus und was sind die Prognosen für die Zukunft?
Alle Untersuchungen unserer Partner beim VDI, VDMA und auch Hamburg Aviation zeigen, dass die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit der Unternehmen leidet und Produktionsraten nicht erreicht, beziehungsweise Aufträge nicht angenommen werden können. Langfristig gefährdet dies Arbeitsplätze. Vor allem, wenn qualifizierte Arbeitskräfte in anderen Regionen der Welt zur Verfügung stehen. Zusätzlich ist die Geschwindigkeit bei der Umsetzung von Maßnahmen gegen den Klimawandel gefährdet. Auch wenn es schon häufig angesprochen wurde – eine flächendeckende Transformation der Wärmeversorgung braucht Ingenieur*innen für die Entwicklung der technischen Heizgeräte – Stichwort Wärmepumpen, aber natürlich auch die qualifizierten Installationskapazitäten im gewerblichen Bereich. Hier müssen also Studium und Ausbildung eng zusammenspielen.

Eine mögliche Lösung für den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern könnte sein, gezielt Bewerber aus dem Ausland anzuwerben…
Ich glaube, dass das nur einen Teil des Fachkräftemangels lösen wird, wobei eine zunehmende Internationalisierung sicherlich hilfreich ist. Deshalb werden an vielen Hochschulen und Universitäten aktuell die englischsprachigen Angebote ausgebaut. Aus unseren eigenen Potenzialen zu schöpfen, muss mit einer neuen Begeisterung für Technik einhergehen. Es muss einfach „cool“ sein, ein Ingenieurstudium oder eine Ausbildung im technischen Bereich zu beginnen. Neben den sicheren Berufsmöglichkeiten und guter Entlohnung finden hier doch gerade die Entwicklungen statt, die das Leben auf diesem Planeten für alle ein kleines bisschen besser machen können. Die Möglichkeiten der technischen Entwicklungen sind noch lange nicht ausgereizt. Zudem bin ich überzeugt, dass alle Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils im Ingenieurstudium und auch in der Ausbildung technischer Berufsbilder wichtig sind. Hier besteht fachlich und volkswirtschaftlich ein großes Potenzial, das wir heutzutage immer noch nicht ausschöpfen. Die Reduzierung von Hürden und Schwellenängsten junger Frauen muss immer wieder Thema sein. Es lohnt sich auf jeden Fall. Außerdem bedarf es einer neuen Durchlässigkeit von Ausbildung in Richtung Studium und umgekehrt, um volkswirtschaftlich die Potenziale, die bei unseren jungen Menschen bestehen, auszunutzen. Nicht zu vergessen ist, dass technische Berufsbilder zu den veränderten Lebensentwürfen in unserer Gesellschaft passen müssen – Teilzeitarbeit oder auch Teilzeitausbildung sowie Teilzeitstudium müssen möglich sein.

Was versprechen Sie sich vom ersten Hamburger Ingenieur*innengipfel?
Ich erwarte eine neue Vernetzung und Koordination von Aktivitäten im MINT-Bereich in der Metropolregion mit dem klaren Ziel, junge Menschen für die attraktiven Berufsfelder zu begeistern. Die Botschaft darf gerne sein: wie cool ist eigentlich, aktiv eine lebenswerte Zukunft zu gestalten, die unser Klima schützt sowie die Ressourcen auf unserer Erde schont und gerechter für alle ist. Aus der Veranstaltung heraus werden Impulse entstehen, die von allen Playern – Unternehmen, Schulen, Hochschulen und Universitäten, Politik und Verwaltung – aufzugreifen sind. Und ich freue mich auf eine Fortsetzung beim 2. Hamburger Ingenieur*innen Gipfel im kommenden Jahr.

(Text: Tiziana Hiller)

1. Hamburger Ingenieur*innengipfel: "Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel in der Metropolregion Hamburg"


Am Dienstag, den 26. September 2023 
von 17:00 – 19:30 Uhr, anschließend Get-Together 
In der Aula des Berliner Tor 21

Durch die Veranstaltung führen:
- Prof. Dr. Enno Stöver, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg 
-Katharina Keienburg, Beraterin Wissens- und Technologietransfer bei der Innovations Kontakt Stelle Hamburg 

Einladende sind der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Nord, der Verein Deutscher Ingenieure VDI e.V. Landesverband Hamburg, Hamburg Aviation, die Innovations Kontakt Stelle Hamburg, die Technische Universität Hamburg, die Helmut-Schmidt-Universität und die HAW Hamburg.
Weitere Informationen 

Kontakt

Prof. Dr. Enno Stöver
Leiter des Departments Maschinenbau und Produktion
Berliner Tor 21
20099 Hamburg
Raum 129
T +49 40 428 75-8600
enno.stoever (at) haw-hamburg (dot) de

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