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Stipendiatin der Alexander von Humboldt Stiftung

„Ich vermisse den Krach, das Hupen, das Tanzen“

Dr. Rebecca Sarku ist Wissenschaftlerin aus Ghana. An der HAW Hamburg hat sie das renommierte Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung verliehen bekommen. In der Forschungsgruppe MARS (Multi-Agent Research and Simulation) rund um Informatik-Professor Dr. Tom Clemen wird sie in den kommenden zwei Jahren an der Frage forschen, wie Künstliche Intelligenz – und hier speziell die Agenten-basierte Modellbildung und Simulation – eingesetzt werden kann, um in Zeiten der Klimaänderung den Anbau von Getreide in Westafrika nachhaltiger zu gestalten. Das Stipendium wird hochqualifizierten Wissenschaftler*innen verliehen, um ihr persönliches Forschungsvorhaben in Deutschland durchzuführen.

Hat das renommierte Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung erhalten: Dr. Rebecca Sarku.

Rebecca Sarku ist als eines von vier Geschwistern in Tema, einer Hafenstadt unweit Ghanas Hauptstadt Accra aufgewachsen. Mit 15 Jahren war sie für drei Jahre in einem Internat, das sich etwa drei Autostunden entfernt in der Volta-Region befand. „Ich kam nur noch an Weihnachten und im Sommer nach Hause. Zu Beginn war das hart. Ich hatte dort aber auch eine gute Zeit und habe in der strengen Schule viel über Disziplin gelernt“, blickt die junge Wissenschaftlerin zurück. Für ihr Bachelor-Studium in Geografie und ländliche Entwicklung zog sie wiederum nach Kumasi im südlich-zentralen Teil Ghanas. Kein Wunder, dass sie nach so vielen unterschiedlichen Stationen für ihr Masterstudium nach Hause zurückkehrte – nach Accra, an die University of Ghana. Hier studierte sie Geografie und Ressourcenmanagement und arbeitete anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Die Sache mit den Sprachen

Anders als in Deutschland gibt es in Ghana unzählige Sprachen und Dialekte. Außerhalb von Ghanas Hauptstadt Accra kommt man mit Englisch nicht weit. „Ich spreche inzwischen vier verschiedene Sprachen“, sagt Sarku. Da sie mit ihrem Deutschkurs noch am Anfang steht, ist ihre Allzweckwaffe in Deutschland der Google-Translator. Nur bei Durchsagen in der U-Bahn ist sie auf Erklärungen von Mitfahrerenden angewiesen. „Aber ich habe mit der Zeit einen sehr guten Blick dafür entwickelt, einzuschätzen, wer von den Mitfahrerenden gut Englisch spricht. Und diesen spreche ich dann ganz gezielt an“, weiß sich Sarku zu helfen.

Kulturelle Unterschiede: „Wir sagen viele Dinge durch die Blume“

Die Jungwissenschaftlerin arbeitet gerne im internationalen Kontext und empfindet es als große Bereicherung, mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zu tun zu haben. Auch, wenn die Lebensgewohnheiten manchmal so ganz anders sind als in Afrika.
So auch in den Niederlanden, wo sie in Wageningen, einer kleinen Universitätsstadt, ihre Promotion vorantrieb. Hier wurde Sarku klar, dass beispielsweise das Verhältnis zur Uhrzeit ein ganz anderes ist als in Ghana: „Einmal wollte ich einkaufen und war völlig fassungslos, dass Aldi Punkt 18 Uhr schloss. Sie haben mir praktisch die Tür vor der Nase zugemacht, obwohl ich noch einkaufen wollte. In Ghana wäre das undenkbar“, erzählt sie. In ihrer Heimat hätte der Laden noch gewartet, bis alle Kunden mit ihrem Einkauf fertig gewesen wären. Hinweise gäbe es eher „durch die Blume“.
In Deutschland und den Niederlanden sei auch die Kommunikation viel direkter: „In Ghana verpacken wir Kritik in Sprichwörter. Deutsche und Niederländer sagen sehr direkt, was sie denken. Das war am Anfang hart, denn in Afrika wäre das ein Affront.“ Auch kommt ihr Deutschland sehr still vor: „Ich vermisse den Krach, das Hupen, das Schreien, das Tanzen.“

Promotion zwischen Afrika und den Niederlanden: „Sandwich-PhD“

Während ihrer Promotion pendelte Rebecca Sarku zwischen Afrika und den Niederlanden. „Ich machte ein so genanntes Sandwich-PhD“, erklärt sie. „Das bedeutet, dass ich teilweise in Afrika war, um Daten zu sammeln und dann wiederum in den Niederlanden an meiner Dissertation weiterarbeitete.“ Während die Covid-Epidemie viele Forschungsvorhaben ausbremste, war sie für Sarku ein Beschleuniger: Sie entschied sich bewusst, den Lockdown über in den Niederlanden zu bleiben und vergrub sich in die Arbeit. „Ausgehen konnte ich nicht, die Meetings wurden weniger – ich hatte viel Zeit und die habe ich genutzt“, so die Wissenschaftlerin. Im Jahr 2021 verteidigte sie ihre Dissertation mit dem Titel „Making weather information service usable to support adaptive decision making in farming in Ghana“. Darin ging sie Bauernweisheiten in Ghana auf die Spur: Inwieweit eignen sie sich dafür, das Wetter vorauszusagen?

Sarkus Promotion: Bauernweisheiten als Wettervorhersage?

Landwirte in Ghana vertrauen in Sachen Wettervorhersage eher Bauernweisheiten als dem offiziellen Wetterdienst. Diese werden oft über Generationen weitergegeben und unterscheiden sich von Region zu Region. „Trägt der Mangobaum im Frühling viele Blüten, bedeutet das für die Bauern, dass es viel regnen wird“, bringt Sarku ein Beispiel an. So haben viele Vorkommnisse in der Natur eine tiefere Bedeutung.
Um herauszufinden, ob an der Sache etwas dran ist, programmierte sie den Bauern eine sehr simple App, in der sie eintragen konnten, wann sie ein Zeichen für Wetteränderung entdeckt hatten und glich die so gesammelten Daten mit offiziellen Wetterdaten ab. „Es ist erstaunlich, aber ich habe herausgefunden, dass einige der Vorhersagen wirklich funktionieren“, sagt Sarku. Ihr Forschungsansatz wird nun in Bangladesch weitergeführt.

Sarkus Forschung an der HAW Hamburg

Eine Kollegin machte sie letztendlich mit Prof. Tom Clemen von der HAW Hamburg aus dem Department Informatik bekannt. Prof. Clemen erklärte sich bereit, sie in die MARS-Gruppe aufzunehmen – eine Voraussetzung, um sich auf das Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung zu bewerben. „Dafür bin Tom Clemen sehr dankbar“, sagt Sarku.
Seit Anfang August ist sie nun in Hamburg. In der MARS-Gruppe wird sie sich mit der Sicherstellung von Nahrung, genaugesagt von Getreide, in Afrika befassen. Dafür möchte sie via Künstlicher Intelligenz ein System schaffen, das die Produktionsperspektive der Bauern abbildet, um beispielsweise herauszufinden, wo künftig Lebensmittelkrisen auftreten könnten. „Im Prinzip spiele ich unterschiedliche `Wenn-dann´-Szenarien durch“, erklärt Sarku. „Damit kann ich herausfinden, wie sich die Bauern in unterschiedlichen Situationen verhalten werden.“
Dr. Rebecca Sarku ist es wichtig, nicht nur Wissenschaft im Elfenbeinturm zu betreiben, sondern zu publizieren, an Konferenzen teilzunehmen und mit Politiker*innen und Bauern zu sprechen.
Und privat? Für ihre Freizeit hat sie sich auch schon ein Projekt gesucht, das sie umsetzen möchte: „Schwimmen lernen“, sagt sie. Wir können sicher sein, dass ihr auch das gelingen wird.

Interview: Tiziana Hiller, sie führte das Interview in Englisch

Kontakt

Prof. Dr. Tom Clemen
Department Informatik

Berliner Tor 7
20099 Hamburg
Raum 11.83

T +49 40 428 75-8411
thomas.clemen (at) haw-hamburg (dot) de

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