Bei dem Stichwort „Medientechnik“ denken nicht alle sofort an Nachhaltigkeit und Energiewende. Wie hat sich Ihr Interesse an dem Forschungsgebiet entwickelt?
Tessa Taefi: In den Studiengängen „Medieninformatik“ und „Medientechnik“ bin ich berufen für das Themengebiet Informationstechnik. Die Informationstechnik vernetzt Komponenten zu Systemen, vom Bit bis in die Cloud. Sie nutzt KI, Big Data und entwickelt eigene Algorithmen, um Daten der physischen Ebene, die durch Sensorik gewonnen werden mit Informationen aus dem Cyberraum zu verschränken, um neue technische Lösungen zu schaffen. Im Medienbereich entstehen dadurch z.B. adaptive und interaktive System, die Künstler*innen neue kreative Möglichkeiten bieten oder uns täglich begleiten, wie beispielsweise Spotify. Gleichzeitig stellen sich durch die zunehmend autonom interagierende Technik viele Fragen, wie z.B. die Rolle des Menschen im Prozess, zur Gestaltung der Mensch-Technik-Schnittstellen, zu ethischen Implikationen und anderen gesellschaftlichen Auswirkungen, in diesem Fall der „Medien“. Ersetzt man nun mental das Bild der „Medien“ mit „erneuerbarer Energieproduktion“ oder „nachhaltige Mobilität“ ist die Verbindung sofort ersichtlich.
In der ersten Hälfte meines Berufslebens führte mich mein Interesse am Audio Engineering zu audiologischen Systemen und zur Informationstechnik, die ich im Fachbereich Elektrotechnik der HAW Hamburg studiert habe. Nach der Elternzeit für meine drei Kinder habe ich im Themenbereich der nachhaltigen Mobilität an der HAW Hamburg kooperativ geforscht und promoviert. Mobilitätssysteme sind komplex und die Auswirkungen auf Individuen und Gesellschaft, sowie Klima und Umwelt äußerst relevant. Die Komplexität und die vielen Facetten, wie Nachhaltigkeit, Ökonomie und die Auswirkungen die neben der reinen technischen Umsetzbarkeit relevant sind, haben mich fasziniert und tun es immer noch.
Mit der Energiewende und durch Sektorkopplung (die Verbindung verschiedener Sektoren der Energieerzeugung und -nutzung) verweben sich weitere Bereiche, wie die Wärmewende zu noch komplexeren Systemen. In meinem Forschungsprojekt Drones4Bats erforschen wir z.B., inwieweit durch mobile Robotik bzw.„Unmanned Aerial Systems“ die Datenlage und das Wissen über die Anwesenheit von Fledermäusen im Rotorbereich von Windenergieanlagen verbessert werden können. Ziel ist, das Grün-Grün Dilemma zu mildern, das sich ergibt, wenn algorithmische Entscheidungen für oder gegen Abschaltungen der Windenergieanlagen aus Artenschutzgründen erfolgen.
Ihr Eintritt in das Leitungsteam des CC4E wird mit neuen Aufgaben einhergehen. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Tessa Taefi: Das CC4E forscht, vernetzt, und vermittelt zu den sogenannten 4E Themen: erneuerbare Energien und EnergieEffizienz. Ich werde Aufgaben in allen drei Bereichen – Forschung, Vernetzung und Vermittlung – übernehmen und freue mich auf jede einzelne dieser Tätigkeiten. Aber wenn ich eine Aufgabe herausheben sollte, die ich sehr relevant finde, ist dies vielleicht die Rolle des CC4E im aktuellen Wandel zu reflektieren und begleiten. Dies hat mindestens drei Aspekte:
- Einerseits erlangt die HAW Hamburg nach vielen Jahren der Vorbereitung gerade das Promotionsrecht. Das CC4E ist ein wichtiger Inkubator für das Promotionsprogramm „Sustainable Technology Systems“. Ich möchte gemeinsam mit allen aktuellen und potentiellen Mitwirkenden erarbeiten, welche Entwicklungen das CC4E nehmen kann, um diese wichtige Rolle noch besser zu erfüllen.
- Gleichzeitig stehen wir als HAW Hamburg vor der Strukturreform, die einen neuen Fakultätenzuschnitt und sicherlich auch neue Synergien und Kooperationsmöglichkeiten für unsere Querschnittsthemen 4E und nachhaltige Technologiesysteme ergibt. Diese gilt es zu heben und dafür möchte ich mich einsetzen.
- Letztlich stehen wir als Gesellschaft mitten in der Herausforderung der vielen Wenden, wie im Energie-, Wärme-, und Mobilitätsbereich. Auch hieraus werden sich neue Themen und Möglichkeiten in der Forschung, Vernetzung und Vermittlung ergeben, die wir als CC4E aufgreifen wollen. Im Rahmen eines teaminternen „Zukunftstages“ im Dezember werden wir z.B. an dieser Fragestellung arbeiten.
Die stetige Adaption des CC4E im aktuellen Wandel der HAW Hamburg und Gesamtgesellschaft finde ich spannend und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Fragestellungen möchte nachgehen.
Das Thema Klimawandel und die Rolle von Erneuerbaren Energien werden gesellschaftlich viel diskutiert. Was lässt sich aus Ihrer Sicht tun, um die Gesellschaft für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Energieversorgung zu sensibilisieren?
Tessa Taefi: Wissenschaftliche Erhebungen zeigen uns, dass die empfundene Relevanz des Klimawandels zwar angesichts der vielen anderen Krisen ein wenig nachgelassen hat, die deutsche Gesellschaft insgesamt aber nach wie vor für das Thema sensibilisiert ist. Daraus konkret umsetzbare Maßnahmen abzuleiten, die für jeden einzelnen und alle Beteiligten immer sozial gerecht, ökonomisch jederzeit ohne Einbußen umsetzbar und technisch immer machbar sind, ist eine vermutlich unlösbare Aufgabe. Als CC4E haben wir die Möglichkeit durch Forschung nicht nur technische Lösungen zu entwickeln, sondern gleichzeitig zu untersuchen, welche Kompromisse aus der Perspektive der Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Akzeptanz tragfähig sein könnten. Eine besondere Stärke des CC4E liegt darin, auf ein weitreichendes Netzwerk in der Politik, Wissenschaft, in Verbänden und Unternehmen zurückgreifen zu können. Dadurch können vielfältige Daten erhoben werden, aber auch Ergebnisse und positive Beispiele gezielt und wirkungsvoll kommuniziert werden.
Aus meiner Sicht können sowohl in Forschung als auch Wissenschaftskommunikation kommunikationspsychologische Aspekte noch stärker berücksichtig werden, um nicht nur die Vermittlung und Akzeptanz, sondern auch die tatsächliche Handlungsmotivation weiter zu steigern. Aus diesem Grund stelle ich aktuell jeden Forschungsantrag im 4E Bereich gemeinsam mit meinen KollegInnen aus der Fachgruppe Medien- und Kommunikation, die ExpertInnen auf diesem Gebiet sind. Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt liegt aktuell im Bereich der effizienten und nachhaltigen Nutzung von Energie, z.B. im Mobilitäts- und Wärmebereich. Dabei möchten wir Individuen als auch politische Akteure gleichermaßen adressieren.