Gastbeitrag in der VC-INFO

Neue Forschung zur Kontamination der Kabinenluft in Flugzeugen

Mit Unterstützung der Europäischen Kommission hat die EASA das neue Forschungsprojekt "Cabin Air Quality Assessment of Long-Term Effects of Contaminants" (CAQ III) ins Leben gerufen. Es soll um die Bewertung der Kabinenluftqualität im Hinblick auf Langzeitwirkungen von Schadstoffen gehen. Ziel ist, zusätzliche wissenschaftlich fundierte Daten über Cabin Air Contamination Events (CACE) zu gewinnen.

2019-08-22, Hawaiian Airlines HA47, A321neo. Notlandung und Evakuierung nach Rauch an Bord. Ursache: Dichtungsschaden im linken Motor.

Damit soll die Grundlage für eine umfassendere Bewertung von Gesundheitsrisiken geschaffen werden. Über erste Ergebnisse wurde in einem Workshop bei der EASA im Januar 2023 berichtet. Tierversuche sollen zur Bewertung von Fume Events durchgeführt werden. Mäuse sollen Öldämpfen ausgesetzt und deren Reaktion darauf gemessen werden. Die Mäuse müssen an 5 Tagen pro Woche über 4 Wochen bis zu 4 Stunden am Tag Luft einatmen, die mit pyrolisiertem Triebwerksöl kontaminiert wird. Über die Habersche Regel soll dies vergleichbar sein  mit der Situation von Crews, die der Kabinenluft mit geringerer Konzentration der Schadstoffe ausgesetzt sind, aber dafür über die lange Zeit des ganzen Arbeitslebens.

Seit den 1950er Jahren haben Besatzungsmitglieder dokumentiert, wie sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert. Insbesondere konnten sie neurologische Defizite beobachten, nachdem sie Öldämpfe eingeatmet hatten. Es handelt sich um Geruchs- oder Rauchereignisse (Smell Events oder Fume Events) in Cockpit und Kabine. Öldämpfe können in die Kabine gelangen, weil Außenluft in den Triebwerken des Flugzeugs verdichtet wird und dann als sogenannte "Zapfluft" zur Belüftung in Cockpit und Kabine geleitet wird. Die Öldämpfe enthalten eine Mischung aus Organophosphatzusätzen, einschließlich Trikresylphosphat (TCP).

Das neue Forschungsprojekt CAQ III ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch sind die Probleme seit 60 Jahren bekannt, es wurde aber nur wenig erreicht, um sie abzustellen. Die Forderung von Verbänden der Cockpit- und Kabinenbesatzung lautet daher: Es muss nicht immer wieder neu gemessen werden, ob es eine Kabinenkontamination gibt. Es muss endlich gehandelt werden. Nach wie vor gibt es nur einen Flugzeugtyp mit zapfluftfreiem Belüftungssystem (B787). Es sind keine Zapfluftfilter für die Kabinenluft verfügbar (nur eine Option für das B757-Cockpit) und es gibt keine Sensoren, um die Besatzungen vor Öldämpfen zu warnen. Es gibt nur begrenzte Schulungen für Besatzungen, um Fume Events zu erkennen/auf sie zu reagieren, und es gibt kein standardisiertes Fume Event-Meldesystem.

Das neue EU-finanzierte Forschungsprojekt trägt den Titel "Bewertung der Kabinenluftqualität im Hinblick auf Langzeitwirkungen von Schadstoffen", aber keines der "Arbeitspakete" ist darauf ausgelegt, wirklich die langfristigen Auswirkungen von Ölverunreinigungen aus Zapfluft zu bewerten. Die "Ausschreibung" verlangt regelmäßiges Feedback von "allen Interessenvertretern", aber weder die Gewerkschaften der Fluggesellschaften noch die Passagiergruppen wurden eingeladen, sich zu beraten oder Feedback zu geben. Arbeitnehmervertreter sollten formell als Interessengruppen für Konsultationen/Feedback einbezogen werden und nicht nur um den Ergebnissen zuzuhören.

Auch bei den vorangegangenen Projekten CAQ1, CAQ2 und FACTS lag der Fokus auf der Datenerhebung. Dieses Projekt sollte sich auf die Entwicklung von Maßnahmen zur Expositionskontrolle konzentrieren, darunter:

  • zapfluftfreie Entwürfe,
  • weniger giftige Öle und Hydraulikflüssigkeiten,
  • effektive Zapfluftfilterungs-/Luftreinigungstechnologie,
  • Echtzeit-Erkennungssysteme,
  • obligatorische Schulung und Ausbildung der Besatzung,
  • standardisierte Fume-Event-Meldesysteme,
  • Anerkennung von Krankheiten.

 

 

Lesen Sie den vollständigen Text:
 

               In der Pressebox:                    https://www.pressebox.de/bx/1143835

               Auf meiner Homepage:          https://purl.org/aero/PR2023-01-30-HTML

               Im PDF:                                      https://purl.org/aero/PR2023-01-30

 

Links zur VC:

             https://www.vcockpit.de/die-vc/flight-safety/arbeitsgruppen/flight-health-environment-fhe.html

 

Links zum Forschunsprojekt "Aircraft Cabin Air":

             "Routes of Aircraft Cabin Air Contamination from Engine Oil, Hydraulic and Deicing Fluid"

 

Links zu den International Aircraft Cabin Air Conferences (2017, 2019, 2021):

 

Links zu Online-Beiträgen der HAW Hamburg:

https://www.haw-hamburg.de/detail/news/news/show/konferenz-ueber-kontaminierte-luft-in-flugzeugen/

https://www.haw-hamburg.de/detail/news/news/show/groesste-internationale-konferenz-zu-kontaminierten-luft-in-flugzeugen/

https://perma.cc/9QEP-7X4X und https://purl.org/aero/INT2017-12-17

 

Text: Prof. Dr. Scholz

Kontakt

Prof. Dr. Dieter Scholz, MSME

Leiter Aircraft Design und Systems Group (AERO)
Professor für Flugzeugentwurf, Flugzeugsysteme und Flugmechanik
Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau
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