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Porträt

Vermittlerin zwischen Kulturen

Amena Almes Ahmad ist Professorin für Public Health am Department Gesundheitswissenschaften der Fakultät Life Sciences. Dort lehrt und forscht sie über Themen rund um Pandemien – eine Expertise, die besonders jetzt gefragt ist. Und auch der HAW Hamburg steht sie beratend zur Seite. Wir treffen die Gesundheitsexpertin im Chat, um sie genauer zu befragen.

Amena Almes Ahmad mir Studierenden der Summer School

Amena Almes Ahmad mir Studierenden der Summer School

Aufwachsen zwischen zwei Kulturen ist kein Widerspruch

Amena Ahmad (MD, MPH) wurde in Pakistan geboren und wuchs in der Millionen-Metropole Karachi auf. „Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater Pakistaner“, erzählt sie. Sie erinnert sich an eine schöne und intensive Kindheit, die zwischen zwei Kulturen stattfand. Wir feierten genauso Ostern und Weihnachten wie wir die pakistanischen Feste feierten. Für mich war das völlig normal, bi-kulturell aufzuwachsen. Auf die Nachfrage, ob Frauen in Pakistan beruflich gesehen ähnliche Chancen wie Männer haben, sagt sie: „Ich fühlte mich nie als Frau benachteiligt oder unterdrückt. Eine Glasdecke habe ich nicht gespürt“. Selbst an den Universitäten und Kliniken wo sie später als Ärztin arbeitete, bekleiden viele Frauen hohe Ämter. „Die Probleme liegen eher im häuslichen Bereich, wenn die Frau nach Hause kommt und in die Rolle der Mutter und Hausfrau schlüpft.“ „Aber“, sagt sie einschränkend, „wir reden hier auch von der gebildeten Schicht.“

Oft fehlten uns Behandlungsmöglichkeiten

Amena Almes Ahmad

Nach ihrem Abitur am College studierte sie Medizin an der Dow University of Health Sciences (DMC) in Karachi. „Diese Zeit hat mich sehr geprägt“, sagt sie, „ich bin meiner Universität bis heute eng verbunden“. Die Universität ist an ein staatliches Krankenhaus angeschlossen. Besonders ärmere Menschen kamen ins ‚Civil Hospital Karachi‘ um sich behandeln zulassen. „Oft fehlten uns Behandlungsmöglichkeiten. Wir mussten die begleitenden Angehörigen der Erkrankten bitten, selbst Spritzen und Medikamente zu besorgen. Einmal brachte ein Angehöriger Spritzen die ölig und benutzt waren. Sie waren ihm auf dem Schwarzmarkt verkauft worden. Ich war schockiert. Patienten können sich auf diese Weise infizieren. Aus diesem Grund hatten wir auf unserer Station einen Needle-Cutter, der die Spritzen nach Gebrauch zerstört.“

Für viele Patienten*innen, die eine Behandlung oder sogar eine Nierentransplantation benötigten, wurden aktiv Spenden gesammelt. Reiche pakistanische Industrielle beispielsweise aus der Baumwoll- oder Zuckerindustrie spendeten große Summen. „Erst wenn wir genügend Spenden gesammelt hatten, konnten wir aufwendigere Behandlung durchführen.“ Wenn ich mir heute einen „Popstar“ an die Wand hängen würde, erzählt sie, dann wäre es der Chefarzt dieses Dialyse- und Transplantationsinstituts. Er ist für mich ein Pionier, der eine Acht-Betten-Station in 40 Jahren mit Spendengeldern und unermüdlichem Einsatz in ein 750-Betten-Institut verwandelte. Es werden über 200 Nierentransplantationen und hunderttausende Dialysen pro Jahr für die Patient*innen kostenlos durchgeführt.

Pandemieforschung an der HAW Hamburg

Um ihre Spezialisierung zu erlangen, kam Amena Ahmad 2004 nach Deutschland an die HAW Hamburg. Sie besaß nun die Approbation als Ärztin und erwarb hier den Master of Public Health. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Ralf Reintjes übernahm sie zunächst einen Auftrag zur Pandemieforschung für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Rahmen des EU-Projekts SARSControl. Hier ging es um Pandemiemanagement in südostasiatischen Ländern. „Wir untersuchten die Pandemie Eindämmungsstrategie dieser Länder während des SARS Ausbruchs“. Es folgte die Durchführung des EU-Projekts (AsiaFluCap) von 2008 bis 2011, das in sechs asiatischen Ländern deren Pandemiepläne und Gesundheitssystem-Kapazitäten analysierte. Es wurden beispielsweise die vorhandenen Ressourcen in Krankenhäusern wie Betten und Beatmungsgeräte ermittelt. „Dabei gibt es in diesen Ländern große Unterschiede. Kambodscha zum Beispiel hat starken Nachholbedarf, Taiwan steht dagegen gut da.“

Das EU-Projekt HEPscreen (2011 bis 2014), an dem sechs EU-Länder (NL, D, BG, HUN, ES, ITA) beteiligt waren, wurde zu ihrer Herzensangelegenheit. Es ging um die Früherkennung von Hepatitis B und C bei Migranten*innen in Europa. „Viele der Betroffenen wissen nicht, dass sie chronisch infiziert sind. Dabei kann die Krankheit irreparable Schäden in der Leber anrichten.“ Hepatitis B und C kann über Bluttransfusion aber auch durch sexuelle Kontakte oder das gemeinsame Nutzen von Nadeln übertragen werden. In vielen Entwicklungsländern spielt zudem die Mutter-Kind Übertragung eine große Rolle. „Oft heilt Hepatitis B von selbst aus, aber eben nicht immer“, erklärt die Ärztin. Daher ist seit 1995 eine Impfung in Deutschland empfohlen. Nordwest-Europa ist ein niedrig „Prävalenz Gebiet“ aber in Ägypten zum Beispiel gibt es weiterhin eine hohe Hepatitis C Fallzahl. „Wir konnten am Ende im Auftrag des ‚European Centre for Disease Prevention and Control‘ (ECDC) in Stockholm zusammen mit dem ‚Erasmus Medical Center – Rotterdam‘, Hochrechnungen in 31 EU-Ländern durchführen und Migrantengruppen, die ein höheres Risiko tragen, ermitteln. „Ziel war und ist es, sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Migrant*innen aus Risikoländern für diese Krankheit zu sensibilisieren. Denn es sterben jährlich über eine Million Menschen daran. Wir wollten erreichen, dass sie sich testen lassen beziehungsweise ihnen ein Test angeboten wird. Hepatitis C lässt sich inzwischen mit einer 12 bis 24 Wochen Therapie durch Medikamente in den meisten Fällen auskurieren. „Das war ein großer Erfolg!“

Im Rahmen des EU-Projekts ECOM von 2012 bis 2016 ging es um Risikokommunikation. Anlässlich der grassierenden Schweinegrippe wurde ein Impfstoff entwickelt, der aber kaum angenommen wurde. „Es ließen sich nur acht Prozent der Bevölkerung impfen.“ Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass dieses an der öffentlichen Wahrnehmung und auch der medialen Aufmerksamkeit lag, die auf das Thema gelenkt wurde. „Wir untersuchten die Meilensteine der Kommunikation. Unser Fazit: Als die Medien nicht mehr berichteten, verschwand das Thema aus der öffentlichen Diskussion und der Impfstoff blieb liegen.“ Eine extra dafür im Projekt als Prototyp entwickelte App sollte deshalb mit aktuellen Informationen rund um eine Seuche bespielt werden und somit ein direkter und seriöser Informationskanal zur Bevölkerung sein. „Sie kam aber leider nicht zum realen Einsatz“, so Ahmad.

Kommunikation statt Kontrolle der Bevölkerung

Für Professorin Ahmad steht die Information und Kommunikation mit der Bevölkerung ins Zentrum der Aufklärung über Seuchen. „Von biometrischer Erkennung oder einem e-Pass halte ich wenig“, sagt sie. „Man muss bedenken“, so Ahmad, „dass Menschen, die die Informationen empfangen, dass sie Kontakt zu einer infizierten Person hatten, sehr unterschiedlich mit dieser Nachricht umgehen. Es ist wichtig, dass solche Informationen behutsam und individuell übermittelt werden.“

„Es muss jederzeit ein freier Zugang zu seriösen, wissenschaftlichen Informationen bestehen und jeder muss weitgehend selbst entscheiden, wie er damit umgeht. Der Staat darf nur sehr limitiert in die Persönlichkeitsrechte eingreifen. Demokratie heißt neben Freiheit eben auch Verantwortung und fußt auf keiner staatlichen Verordnung“, so die Ärztin, die selbst als Kind Ausgangsperren in Pakistan erlebte. Wenn staatliche Überwachung wie in einigen asiatischen Ländern durch Technik einmal ausgeübt wird, dann überdauern diese technischen Tools und werden nach einer Pandemie nicht einfach eingestellt, so ihre Sorge.

Die ruhige, konzentrierte wie intensive Erzählweise der Professorin verrät, warum Ahmad bei ihren Studierenden so beliebt ist. Von ihren internationalen Studierenden wird sie manchmal sogar „Mom“ genannt. Zum Abschluss möchte sie noch von ihren Internationalen Summerschools mit dem DAAD erzählen, die sie seit 2017 am Department Gesundheitswissenshaften und dem Forschungs- und Transferzentrums "Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement" (FTZ-NK) durchführt.

Summer Schools zu Public Health an der HAW Hamburg

Im vergangenen Juni kamen 26 DAAD-Stipendiaten*innen aus 14 verschiedenen Ländern zur EARTHS Summer School an die HAW Hamburg. Die Studierenden aus Ländern wie Benin, Burundi, Kenia, Myanmar, Palästina, Jemen etc. bekommen ein Stipendium vom DAAD für ihr Master- oder PhD Studium.  „Dieses Zusammenkommen von Menschen aus so unterschiedlichen Ländern ist genau das, was mich in meiner Arbeit vorantreibt“, so Ahmad. „Die meisten von Ihnen waren noch nie in Europa, es eröffnet sich eine neue Welt für sie. Sie bauen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung kulturelle Vorbehalte ab und tauschen sich aus. Netzwerke entstehen, die oftmals ein Leben lang halten“. Diese Motivation hätte sie auch angetrieben, Professorin für Public Health an der HAW Hamburg zu werden und sich für das Studienfach Global Health einzusetzen. „Ich möchte Vermittlerin zwischen den Kulturen sein – eben wie meine eigene Lebensgeschichte es nahelegt“.

(Autorin: Dr. Katharina Jeorgakopulos)

Kontakt

Amena Almes Ahmad
Department Gesundheitswissenschaften
Professorin für Public Health
Ulmenliet 20
21033 Hamburg

T +49 40 428 75-6106
amenaalmes.ahmad (at) haw-hamburg (dot) de

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