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COIL-Projekt ermöglicht Austausch mit Südafrika

Von zuhause international studieren

International studieren in Corona-Zeiten? Wer sich auf ein Semester im Ausland gefreut hat, wurde durch die Pandemie mitunter mitten in den Vorbereitungen und Plänen gestoppt. Erstsemester-Studierende des Master-Studiengangs Food Science hatten im Wintersemester nun die Chance, doch internationale Erfahrungen zu sammeln. Möglich gemacht hat das ein Projekt im Modul Nachhaltigkeit (COIL). Wir haben dazu mit Prof. Dr. Sebastian Thiem und dem Studenten Sebastian Tok gesprochen.

Veranstaltungsraum Department of Food and Nutrition Consumer Sciences an der DUT mit Studierenden, die an Tischen sitzen

Im vergangenen Frühjahr war Prof. Thiem noch live vor Ort. In diesem Wintersemester fand der Austausch mit Studierenden und Professor*innen des Department of Food and Nutrition Consumer Sciences an der DUT und dem Food Science-Kurs an der HAW Hamburg nur digital statt.

International kompetenzorientiert lehren und lernen

Bereits im vergangenen Jahr haben wir über das anstehende vierwöchige COIL-Projekt berichtet, das im Wintersemester 2020/2021 mit der Partner-Uni Durban University of Technology (DUT) an der Fakultät Life Sciences (LS) umgesetzt wurde. „COIL steht für Collaborative Online International Learning. COIL ist keine Software oder eine Plattform, sondern ein Konzept, bei dem Lehrkräfte von Partnerinstitutionen gemeinsam ein Team von Studierenden beider Institutionen digital unterrichten“, erklärt Prof. Dr. Sebastian Thiem.

COIL ermögliche es Studierenden sowie Lehrenden, den eigenen Erfahrungshorizont erheblich zu erweitern, unterschiedliche Perspektiven auf diverse Themen zu erhalten und interdisziplinär zu denken. Darüber hinaus können Studierende mit COIL bei vergleichsweise geringem Aufwand internationale Erfahrungen sammeln. Dabei greift COIL perfekt die Idee der kompetenzorientierten Lehre auf, die an der HAW Hamburg einen hohen Stellenwert hat: „Bei dem Projekt geht es nicht vordergründig um das Erlernen von Inhalten, sondern um die interkulturelle und digitale Entwicklung der Studierenden: Wie kommunizieren wir digital über kulturelle und räumliche Grenzen hinweg?“, fragt Thiem.

Bei dem Projekt geht es nicht vordergründig um das Erlernen von Inhalten, sondern um die interkulturelle und digitale Entwicklung der Studierenden: Wie kommunizieren wir digital über kulturelle und räumliche Grenzen hinweg?

Prof. Dr. Sebastian Thiem, Professor für Food Science an der Fakultät Life Science

Für Sebastian Tok, der im Wintersemester sein Master an der HAW Hamburg angefangen und am COIL-Projekt teilgenommen hat, hat sich diese Erkenntnis erst zum Ende der Veranstaltung eingestellt: „Zurückblickend würde ich sagen, dass beide Gruppen die jeweils bestehenden Klischees sehr gut erfüllt haben: Wir an der HAW Hamburg haben direkt Pläne aufgestellt, wollten nach bestimmten Strukturen vorgehen und vor allem ein gutes Ergebnis erzielen, während die Kommiliton*innen in Durban eher abwartend und gelassener waren,“ so Tok. Die erlernten Soft Skills sind für den Master-Student eine wichtige Bereicherung: Im internationalen Miteinander geht es um das Verständnis für die Kultur des jeweils anderen, die unterschiedlichen Arbeitsweisen und die Gegebenheiten vor Ort.

Über kulturelle und räumliche Grenzen hinweg

Über alle Grenzen hinweg herrscht zumindest beim Kommunikations-Tool große Einigkeit: Die Teams tauschten sich überwiegend über Whatsapp aus. „Sowohl meine Kolleg*innen an der DUT als auch wir haben den Studierenden keine Vorgaben gemacht, wie sie mit einander kommunizieren sollen“, erklärt Thiem. „Das ist auch der große Vorteil von COIL. Mit den digitalen Tools, die wir alle inzwischen mehr oder weniger gut beherrschen, lässt sich das Projekt perfekt umsetzen. In der Gruppenarbeit kam meist Whatsapp oder Teams zum Einsatz, beim Austausch mit allen Studierenden der HAW Hamburg und der DUT haben wir Zoom genutzt.“

Beim COIL-Projektthema – Massenproduktion von tierischen Produkten in Bezug auf den Aspekt der Nachhaltigkeit – war insbesondere der Blick über den eigenen kulturellen Horizont enorm wichtig, auch für Sebastian Tok. Ihn interessierte beim Modul Nachhaltigkeit insbesondere, wie sich die deutsche und europäische Sicht auf das Thema von der internationalen unterscheidet: „Innerhalb Europas besteht zum Thema Nachhaltigkeit ein gewisser Konsens. Doch wer in dem Bereich später international arbeiten möchte, sollte im Idealfall schon im Studium Erfahrungen sammeln, wie und warum Nachhaltigkeit international mitunter verschieden definiert und betrachtet wird. Dafür war der Austausch mit Südafrika perfekt,“ ist Tok überzeugt. 

Kein Ersatz für ein Auslandssemester, sondern ein Anreiz

Zum Abschluss des Semesters nimmt Sebastian Tok einige Learnings aus dem Projekt mit. Nach einem Auslandssemester in Spanien war es für den Studenten eine gute Erfahrung, online einen Eindruck vom Studium in Südafrika zu bekommen. „Ich sehe das COIL-Projekt nicht als Ersatz für ein Auslandssemester, sondern als Anreiz. Und ohne vor Ort gewesen zu sein, nehme ich für mich mit, meine eigene Arbeitskultur zu überdenken. Vielleicht sollte das gemeinsame Arbeiten mehr im Fokus stehen als das Ergebnis. Dafür wäre es jedoch von Vorteil gewesen, wenn die Studierenden vorab gewusst hätten, dass der kulturelle Austausch mindestens genauso wichtig ist wie das Projektergebnis. Gewünscht hätte ich mir auch eine gemeinsame Abschlussrunde, in der alle Studierenden ihr Feedback zur Zusammenarbeit geben können“, sagt Tok.

Ich sehe das COIL-Projekt nicht als Ersatz für ein Auslandssemester, sondern als Anreiz. Und ohne vor Ort gewesen zu sein, nehme ich für mich mit, meine eigene Arbeitskultur zu überdenken.

Sebastian Tok, Master-Student an der Fakultät Life Sciences

Auch Sebastian Thiem, der erstmals ein COIL-Projekt an der HAW Hamburg umgesetzt hat, nimmt Erfahrungen für seinen nächsten Kurs im Sommersemester 2021 mit: „Das Projekt ist gewissermaßen eine Blackbox: Wir wissen nicht, ob die zusammengewürfelten Studierenden-Gruppen gut zusammenarbeiten, ob überhaupt eine Kommunikation startet und wie selbstständig sie arbeiten. Daher ist eine gute, langfristige Vorbereitung wichtig. Außerdem bedarf es einer anderen Form der Führung innerhalb des Kurses – als Lehrende müssen wir konstruktives Feedback geben, selbst Kenntnis über die andere Kultur haben und gegebenenfalls auch spontan unsere Lehrmethoden anpassen“, so Thiem.

Insgesamt zeigt aber das positive Feedback der Studierenden, dass es ein guter COIL-Auftakt an der HAW Hamburg war. Besonders hat Sebastian Thiem gefreut, dass die Studierenden die vier Projektwochen als Abwechslung und Bereicherung im Corona-Alltag empfunden haben.

Zu den beiden Gesprächspartnern:

Sebastian Tok, 23, studiert seit Oktober 2020 Food Science an der HAW Hamburg, nachdem er im vergangenen Jahr seinen Bachelor in Ökotrophologie in Münster abgeschlossen hat.

Prof. Dr. Thiem ist Professor für Food Science im Department Ökotrophologie an der Fakultät Life Science. Dem COIL-Projekt im Wintersemester 2020/2021 soll in diesem Sommersemester ein weiteres folgen, das Thiem über das gesamte Semester für Bachelor-Studierende anbieten möchte.

Collaborative Online International Learning (COIL) ist aus dem Verbund der staatlichen Universitäten im US-Bundesstaat New York im Jahr 2004 entstanden. Der Ausbau des COIL-Netzwerks mit Partneruniversitäten rund um den Globus wurde seit 2006 intensiviert. Heute gehören weltweit an den unterschiedlichsten Standorten fast 100 Hochschulen zu dem Netzwerk. Das COIL-Projekt im Wintersemester 2020/2021 war das erste an der HAW Hamburg. Im Sommersemester soll an der Fakultät Life Sciences ein weiteres Projekt folgen.

Text: Anke Blacha

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