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Zur Forschung in die Antarktis

Wer denkt, außergewöhnliche Forschungsreisen gibt es nur an großen Forschungsinstitutionen, irrt sich: Der HAW Hamburg-Doktorand Moritz Kielmann bricht Anfang November für das Forschungsprojekt RecorD, die Untersuchung von Schadstoffen in der Antarktis, zum Südpol auf. Wir haben mit ihm vorab zu seinem Projekt und den Vorbereitungen für diese Reise gesprochen.

Die deutsche Antarktis-Forschungsstation Neumayer-Station III

Die deutsche Antarktis-Forschungsstation Neumayer-Station III

Sie forschen an der HAW Hamburg zur Auswirkung von Mikroplastik auf die Meeresumwelt und haben unter anderem an der Elbe-Expedition mit dem Forschungsschiff Aldebaran teilgenommen. Können Sie uns noch etwas genauer von dem Thema Ihrer Doktorarbeit berichten, und wie die Forschungsreise in die Antarktis zustande kam?
Ich habe 2021 mit meiner Doktorarbeit begonnen – an der HAW Hamburg und der Leuphana Universität Lüneburg. Diese wird von Frau Prof. Dr. Gesine Witt und Herrn Prof. Dr. Klaus Kümmerer betreut. Konkret geht es um Schadstoffe im Wasser, die sich an Mikroplastik-Partikel andocken und ganz genau um die Ermittlung von Verteilungskoeffizienten. Damit soll dann anschließend die Konzentration der Schadstoffe im Sediment, im Wasser und am Mikroplastik-Partikel erfasst und der Nachweis erbracht werden, dass Mikroplastik ein passiver Schadstoff-Sammler ist und diese Stoffe im schlimmsten Fall über die Nahrungsketten weitergibt.

Das Forschungsprojekt in der Antarktis  geht bei den Erkenntniszielen in eine ähnliche Richtung wie meine Doktorarbeit, ist aber ein eigenes DFG-Forschungsprojekt, das Prof. Dr. Gesine Witt, Dr. Matthias Brenner und die Biologin Sarah Zwicker eingeworben haben. Mit diesem Projekt wollen wir ein praktikables und robustes Konzept für ein integriertes Schadstoffmonitoring entwickeln, welches mit einer Risikoanalyse gekoppelt wird. Dadurch wollen wir zum Aufbau eines umfassenden und koordinierten Umweltmonitorings in der Antarktis beitragen. Speziell untersuchen wir persistente organische Schadstoffe – also Stoffe, die sich nur langsam abbauen und sich in Organismen oder der Umwelt anreichern können. Diese Schadstoffe gibt es nicht nur in bewohnten Regionen der Welt, sondern sie landen auch in der Antarktis und lagern sich dort im Schnee und Eis ab. Bei der Eisschmelze werden die Stoffe wieder freigegeben und reichern sich in der Nahrungskette an. Gemeinsam mit zwei Biologinnen des Alfred-Wegener-Instituts fliege ich als Chemiker daher Anfang November zur Neumayer-Station in die Antarktis.

Speziell untersuchen wir persistente organische Schadstoffe – also Stoffe, die sich nur langsam abbauen und sich in Organismen oder der Umwelt anreichern können. Diese Schadstoffe gibt es nicht nur in bewohnten Regionen der Welt, sondern sie landen auch in der Antarktis und lagern sich dort im Schnee und Eis ab

Moritz Kielmann, Doktorand der HAW Hamburg

Was werden Sie in der Antarktis genau machen?
Der Plan ist momentan, dass wir in den knapp zweieinhalb Monaten, die wir in der Antarktis sind, einmal die Woche Proben nehmen. Dafür werden wir mit einem Schneemobil auf das gefrorene Meereis in die Atka-Bucht fahren und einen im Meereis eingefrorenen Eisberg suchen. Dort soll das Eis etwas dünner sein, so dass wir Bohrungen bis circa zwei Meter Tiefe vornehmen können, um Wasser zu schöpfen. Das klingt jetzt relativ einfach, aber wir müssen unter anderem darauf achten, dass kein sogenanntes Plättcheneis, das im Wasser direkt unter der Eisdecke treibt, von unten in das Eisloch hochsteigt und unser Bohrloch wieder verstopft. Und obwohl in der Antarktis jetzt Sommer ist, es damit gewissermaßen niemals Nacht wird und es nicht so windig sein soll, sind es immer noch rund 20 Grad minus und wir tragen Schneeanzüge und dicke Handschuhe, die filigranes Arbeiten nicht wirklich zulassen. Neben den Wasserproben werden wir insbesondere für die biologischen Proben auch Netze auslegen, um Fische, Plankton und Krill einzufangen, das Plankton werden wir zusätzlich mit einer Unterwasser-Drohne aus dem Wasser abfischen. Die Drohne werden wir zusätzlich nutzen, um Bilder zu machen – da wir den Auftrag von anderen Forschungsprojekten haben, unter anderem nach Quallen in der Antarktis Ausschau zu halten.

Obwohl in der Antarktis jetzt Sommer ist, es damit gewissermaßen niemals Nacht wird und es nicht so windig sein soll, sind es immer noch rund 20 Grad minus und wir tragen Schneeanzüge und dicke Handschuhe, die filigranes Arbeiten nicht wirklich zulassen.

Moritz Kielmann

So sieht es zumindest in der Theorie aus. Wir müssen dann vor Ort schauen, wie lange wir es wirklich in der Kälte aushalten. Sicher wird es auch Tage geben, an denen wir aufgrund von starken Winden oder schlechter Sicht auf der Station bleiben. Aber auch da gibt es genug Arbeit: Die biologischen Proben müssen seziert und eingefroren werden. Die chemischen Proben müssen aufbereitet werden, damit wir später im Labor der HAW Hamburg die Schadstoffe am Gaschromatographen messen können. Wir haben in unserer Arbeitsgruppe Methoden zur Schadstoff-Messung entwickelt, die sich besonders für schwer zugängliche Gebiete wie die Antarktis eignen und weder Strom noch Chemikalien benötigen. Ich gebe dafür sehr dünne Silikonfasern oder kleine, mit Silikon beschichtete Magnetrührer in meine Proben. Die Schadstoffe aus der Umwelt reichern sich am Silikon an und wir können die genauen Nachweise und Analysen dann an der Hochschule vornehmen.

Alle Proben müssen entsprechend beschriftet werden und wir schreiben täglich Berichte. Parallel versuche ich weiter die Doktorarbeit voranzubringen…

Mussten Sie bestimmte Vorbereitungen für diese Forschungsreise treffen?
Es gab einen umfangreichen medizinischen Check, ob ich für die Reise fit genug bin. Es gibt zwar einen Arzt vor Ort, der auch gleichzeitig der Leiter der Neumayer-Station ist, aber der sollte im Idealfall wirklich nur im Notfall zum Einsatz kommen.

Und natürlich habe ich eine komplette Bekleidungsausrüstung bekommen mit Schneeanzug, Thermowäsche und Stiefeln und entsprechendem Gepäck. Denn wir müssen im Handgepäck eine Notausrüstung mit Schlafsack und Isomatte haben, falls es erforderlich sein sollte, zwischendurch an einem Flughafen in der Antarktis zu übernachten.

Die Antarktis ist derzeit noch einer der unberührtesten Flecken auf der Erde und daher sind alle Besucher*innen, ob Tourist*innen oder Forscher*innen, angehalten, möglichst keine Spuren zu hinterlassen und alle Abfälle zu vermeiden und wieder mitzunehmen. Und wir müssen natürlich sehr auf die Pflanzen- und Tierwelt achten.

Moritz Kielmann

Außerdem war ich bei einem Umweltschutzseminar – die Antarktis ist derzeit noch einer der unberührtesten Flecken auf der Erde und daher sind alle Besucher*innen, ob Tourist*innen oder Forscher*innen, angehalten, möglichst keine Spuren zu hinterlassen und alle Abfälle zu vermeiden und wieder mitzunehmen. Und wir müssen natürlich sehr auf die Pflanzen- und Tierwelt achten. Pflanzen wachsen beispielsweise deutlich langsamer und wir sollten daher vermeiden, auf sie zu treten. Tiere sind durch unsere Anwesenheit gestresst, daher dürfen wir uns beispielsweise Riesensturmvögeln maximal auf 50 Meter und der Kaiserpinguinkolonie, die in der Nähe der Neumayer-Station lebt, nur auf 30 Meter nähern.

Neben diesen Vorbereitungen hatte ich dann auch sehr spezifische Planungen für meine Forschungsarbeit: Welche Ausrüstung und welches Equipment brauche ich, wie sind die Transportboxen zu beschriften, damit alles durch den Zoll geht, welche Gefahrenstoffe, wie Batterien, Lösungsmittel oder brennbare Stoffe, sind in welchen Kisten zu verstauen? Und unsere Unterwasser-Drohne musste beim Alfred-Wegener-Institut einen Dual-Use-Test durchlaufen. Dabei wurde geprüft, ob sie auch für militärische Zwecke genutzt werden könnte. So dürfen wir beispielsweise nur Bilder machen und keine Tonaufnahmen. 

Ich habe meine Bachelorarbeit hier an der Hochschule geschrieben, die auch schon von Prof. Gesine Witt betreut wurde, und die Masterarbeit bereits an HAW Hamburg und der Leuphana Uni – so wie jetzt auch die Doktorarbeit. Das ist mitunter echt herausfordernd. Aber für mich stand sehr früh fest, dass ich im wissenschaftlichen Bereich arbeiten möchte.

Moritz Kielmann

Welchen Tipp haben Sie für Studierende der Umwelttechnik, wenn sie überlegen auch zu promovieren?
Ich habe direkt zwei Tipps: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und ihr solltet immer klar kommunizieren, was ihr möchtet! Bislang hat die HAW Hamburg noch kein eigenes Promotionsrecht, daher schreibe ich meine Doktorarbeit an der HAW Hamburg und der Leuphana Universität. Ich habe meine Bachelorarbeit hier an der Hochschule geschrieben, die auch schon von Prof. Gesine Witt betreut wurde, und die Masterarbeit bereits an HAW Hamburg und der Leuphana Uni – so wie jetzt auch die Doktorarbeit. Das ist mitunter echt herausfordernd. Aber für mich stand sehr früh fest, dass ich im wissenschaftlichen Bereich arbeiten möchte, und ich hatte schon in meinem Bachelorstudium an Forschungsreisen auf dem Forschungsschiff Heinke auf der Nordsee teilgenommen und als Praktikant und wissenschaftliche Hilfskraft in der Umwelttechnik gearbeitet. Als Doktorand engagiere ich mich zudem in der AG Promotion und bin Promovierenden-Sprecher an der HAW Hamburg. Das ist nicht immer alles einfach, aber mit Prof. Gesine Witt habe ich eine betreuende Professorin an meiner Seite, die mir den Rücken freihält, vieles ermöglicht und die einen großen Überblick über das Forschungsgebiet hat.

Interview: Anke Blacha

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