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Themenkongress „Urbane Mobilität 2023“

„Das Auto ist oft gar nicht die naheliegendste Lösung“

Am 7. Juni findet an der HAW Hamburg zum zweiten Mal ein Themenkongress zur städtischen Mobilität statt. Wir haben mit den Organisatoren Prof. Tankred Müller und Prof. Henner Gärtner gesprochen.

Unternehmen, Behörden, Wissenschaftler*innen und Studierende diskutieren gemeinsam, wie wie uns in Zukunft in der Stadt fortbewegen könnten.

Was genau bedeutet „urbane Mobilität“? Und wie unterscheidet sich die urbane von nicht-urbaner Mobilität?

Prof. Henner Gärtner: In der Stadt ist mit Bussen und Bahnen viel großartige Infrastruktur vorhanden. Was oft fehlt, ist die Möglichkeit, die individuelle letzte Meile oder Querverbindungen zu bewältigen. Und genau deshalb sitzen wir dann häufig doch wieder für die ganze Strecke im zwei Tonnen schweren, viel zu großen, Platz raubenden PKW. Für diese Lücke steht die urbane Mobilität: mit Mietlösungen – shared – für Fahrräder, Lastenräder oder Rollern und Rollstühlen, aber natürlich auch für Automobile. Dieser Wechsel der Verkehrsmittel kann im weniger dicht besiedelten ländlichen Raum nicht sinnvoll angeboten werden.

Warum ist das Thema wichtig?

Prof. Henner Gärtner: Sowohl die Klimakrise als auch der knappe städtische Raum verlangen tiefgehende Veränderungen. In Deutschland stammen fast 20 Prozent der Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrssektor. Da haben wir insbesondere in Städten und deren Umland sehr gute Möglichkeiten, Energie, Emissionen und Platz einzusparen. Durch leistungsfähige öffentliche Massentransportsysteme und alternative Verkehrsmittel wie E-Bikes, Elektroroller und eScooter können wir viele Fahrten mit Autos ersetzen und Verkehrs- und Abstellflächen besser nutzen. Das gilt für Fahrten in der Stadt, aber auch für Pendler, die mit diesen Fahrzeugen beispielsweise von der Haustür zur Haltestelle des ÖPNV kommen können. Ich sehe diese Entwicklung wirklich als Chance, den städtischen Raum noch lebenswerter zu gestalten.

Prof. Müller, Sie leiten hier an der Hochschule das Labor für elektrische Mobilität (LEM), in dem energieeinsparende Alternativen zum Auto erforscht werden. Wie genau sehen diese Alternativen aus?

Prof. Tankred Müller: Im Labor für elektrische Mobilität  befassen wir uns vor allem mit eher kleinen Verkehrsmitteln und deren Komponenten. Betrachtet man den Verkehr von der Aufgabe her, so erscheint das Auto recht häufig gar nicht als die naheliegendste Lösung. Ein Beispiel ist der Transport von Gütern und auch Personen in den Stadtquartieren: Für eine Strecke von einigen hundert Metern wird wohl niemand ein Auto aus- und wieder einparken. Eine Getränkekiste wird da aber schon sehr unhandlich! Eine Zukunftsvision sind für solche und ähnliche Aufgaben autonome Fahrzeuge, wie sie im Forschungsprojekt Testfeld intelligente Quartiersmobilität am LEM erforscht werden.

Prof. Gärtner, Sie haben einen elektronischen Blindenhund entwickelt, der älteren oder blinden Menschen hilft, sich in der Stadt zurechtzufinden. Hat das ebenfalls mit urbaner Mobilität zu tun und was hat es damit auf sich?

Prof. Henner Gärtner: Es reicht nicht, dass wir uns nur auf die fitten jungen Menschen konzentrieren, die bei jedem Wetter 15 Kilometer mit dem Fahrrad strampeln können. Ältere Menschen benötigen eine Sitzmöglichkeit. Und Blinde sind von der Arbeit mit dem Blindenstock schnell erschöpft, wenn sie sich hoch konzentriert den Weg ertasten. Unser Shared Guide Dog 4.0 lernt derzeit, Pfützen zu erkennen, um die zu führende Person drum herum zu navigieren. Außerdem lernt er in diesem Jahr mit den Ampeln zu kommunizieren, wie es bisher sonst nur Automobile auf der Hamburger Teststrecke für Autonomes und Vernetztes Fahren tun.

Was erwartet die Teilnehmer*innen auf dem diesjährigen Kongress – und was erwarten Sie sich als die Organisatoren?

Prof. Tankred Müller: Für die Fachkonferenz, die am 7. Juni ab 15.30 Uhr in der Aula am Berliner Tor 21 startet, erwarte ich, dass uns die vielfältige Mischung von anfassbaren Ergebnissen, ausgestellten Exponaten und aufgeworfenen Forschungsfragen in einen kreativen Modus bringt. Dadurch können wir uns in Gesprächen neu vernetzen und werden in den bewusst zahlreich vorgesehenen Pausen gemeinsam weiterdenken. Und das vorgeschaltete Barcamp regt unsere Köpfe bereits ab 11:30 Uhr zum Denken an. Dort werden nämlich verschiedene Unternehmen ihre ganz eigene Fragestellung mitbringen, die sie mit Studierenden diskutieren wollen.

Dürfen auch Studierende am Kongress teilnehmen?

Prof. Henner Gärtner: Das ist es ja gerade, was dieses Format ausmacht: Hier treffen junge, kreative Studierende und kluge Wissenschaftler*innen auf Praxiserfahrene aus den Unternehmen. Genau dieser Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer liegt uns am Herzen.

Interview: Tiziana Hiller

Mehr Informationen zum "Themenkongress urbane Mobilität 2023" 
 

Kontakt

Prof. Tankred Müller
Department Maschinenbau und Produktion
tankred.mueller (at) haw-hamburg (dot) de

Prof. Henner Gärtner
Department Maschinenbau und Produktion
henner.gaertner (at) haw-hamburg (dot) de

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