002-DIN 8580

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. In dieser Folge möchte ich über die DIN 8580 sprechen. Diese Norm ist die Grundlage für alles, was mit der Produktion von Maschinen, Geräten und Bauteilen zu tun hat. Lehrbücher und Skripte sind danach gegliedert, andere Normen beziehen sich darauf, in der Bibliothek stehen die Bücher nach ihr sortiert.

Lange Zeit dachte ich, dass dies auch der einzige Nutzen der DIN 8580 sei. Aber zur Anwendung dieser DIN komme ich am Ende noch einmal zurück.

Was steht denn nun in der Norm wirklich drin?

Im ersten Teil werden grundlegende Begriffe der Fertigungstechnik erklärt, ein Glossar. Einige dieser Definitionen klingen schon fast selbsterklärend (Rohteil, Halbfertigteil und Fertigteil), aber es ist schon praktisch, wenn in Flensburg und Stuttgart die gleichen Begriffe verwendet bzw. die Begriffe gleich verwendet werden.

Andere Definitionen ermöglichen die Unterscheidung zu anderen Bereichen: So wird zum Beispiel die Fertigungstechnik von anderen Bereichen abgegrenzt. Wir kümmern uns hier um die Fertigungstechnik, die das Ziel hat, geometrisch bestimmte, feste Körper herzustellen. Die Produktion von pasteurisierter Halbfettmilch aus Rohmilch interessiert uns also vorerst nicht weiter, das wäre dann Verfahrenstechnik.

Im zweiten Teil der Norm wird eine Struktur geschaffen, in die jedes Fertigungsverfahren einsortiert werden kann. (Ja, ich weiß, es gibt da ein paar Grenzfälle, die ich aber unter den Tisch kehren möchte)

Habe ich schon erwähnt, dass Ingenieur:innen Schubladen lieben?

Auf der obersten Ebene teilt die Norm alle Fertigungsverfahren in 6 Hauptgruppen auf:

Urformen, Umformen, Trennen, Fügen, Beschichten und "Stoffeigenschaft ändern"

Die Ordnungskriterien sind hier der Zusammenhalt und die Form. Dabei ist es für die Norm unwichtig, ob Atome, Moleküle oder verschiedene Körper zusammenhalten. Genauso ist es nebensächlich, ob der Zusammenhalt nur an einer Stelle des Körpers beeinflusst wird oder ganze Teile z. B. abgetrennt werden.

Zusammenhalt kann man schaffen, beibehalten, vermindern oder vermehren. Darüber schwebt noch eine Unterscheidung nach Form und Eigenschaften. Die Verfahren einer Hauptgruppe können Form schaffen oder die Form bzw. die Eigenschaften verändern. Wichtig ist hier immer das Ziel, das man erreichen will, Nebeneffekte dürfen vernachlässigt werden.

Nehmen wir als Beispiel mal die Hauptgruppe "Trennen": Hier wird der Zusammenhalt vermindert, wodurch sich die Form ändert. Ein bekanntes Fertigungsverfahren aus dieser Gruppe wäre das Herstellen einer Bohrung mithilfe eines Spiralbohrers in einer Bohrmaschine.

Danach werden diese Hauptgruppen noch weiter in Gruppen und Untergruppen aufgegliedert. Je nach Hauptgruppe unterscheiden sich die Ordnungskriterien dafür dann aber. Das eben genannte Beispielverfahren gehört dann also in die Hauptgruppe "Trennen", Gruppe "Trennen mit geometrisch bestimmeter Schneide" und Untergruppe "Bohren".

Für Klausuren und schriftliche Arbeiten bedeutet das, dass die Formulierung "dies wird mit dem Verfahren Umformen hergestellt" nicht stimmt. Richtiger wären hier die Formulierungen "dies wird mit einem Verfahren aus der Hauptgruppe Umformen" oder kurz "dies wird mit einem Umformverfahren hergestellt". Ich gestehe allerdings, dass auf der Ebene der Untergruppen die Benutzung verschwimmt. Die meisten dürften akzeptieren, dass Tiefziehen als Verfahren bezeichnet wird, obwohl ganz exakt erst das Tiefziehen mit Formwerkzeugen im Anschlagzug ein Verfahren ist.

Für einige Hauptgruppen, Gruppen und Untergruppen gibt es dann nochmal eigene Normen, für das Fügen z. B. die DIN8593.

Ich spüre hier das Potential für viele weitere Podcastfolgen.

Doch wofür benötigt man diese Norm denn nun eigentlich. Ich gebe zu, dass diese Norm historisch gewachsen ist. Gerade in der Sturm-und-Drang-Zeit der Produktionstechnik, die vor der Erfindung und weitreichenden Nutzbarkeit des Internets und schneller Suchalgorithmen lag, war es durchaus wichtig, entscheiden zu können, welche Literatur für einen Experten relevant war und welche Werke ins Institutsbücherregal gehörten. Aber auch heute noch ist es gut und richtig, diese Struktur zu kennen, wenn ich alternative Fertigungsverfahren suche oder ich verwandte Verfahren nutze, um Berechnungen übertragen zu können. Welche Produkte sind mit einem vorhandenen Maschinenpark herstellbar? Muss ich mein Maschinenportfolio ändern, wenn ich bestimmte Verfahren anwenden will? Wo liegt meine Expertise und an welchen Stellen benötige ich Dienstleister oder Zulieferer aus anderen Bereichen. Lohnt es, sich das Wissen über ein Verfahren aus einer ganz anderen (Haupt-)Gruppe anzueignen? Oder bleibt der Schuster lieber bei seinen Leisten?

Aber selbst wenn diese Norm nur dabei hilft, bei der Klausur schneller die passende Formel zu finden, hat sich der Aufwand doch gelohnt.

Ich bin übrigens so alt, dass ich früher noch dachte, dass DIN für Deutsche Industrie-Norm steht. Heute wissen alle, es steht für Deutsches Institut für Normung.

Zum Schluss noch etwas ganz anderes: Denkt mal darüber nach, dass Studierende sowohl das Produkt als auch die Kund:innen der Hochschule sind.

 

geschrieben von B. Remmers
eingesprochen von B. Remmers

Shownotes