003-Gussfehler und wie man sie vermeidet

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Hallo liebe Zuhörer*innen. Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. Vielleicht darf es heute auch ein wenig mehr sein?

In dieser Folge unserer Podcasts zur Fertigungstechnik beschäftigen wir uns mit den möglichen Fehlern, die beim Gießen von Metallen zur Herstellung von Bauteilen und Erzeugnissen entstehen können.

Zur Erinnerung: das Verfahren Gießen, eines der wichtigsten Verfahren des Urformens, beruht auf dem Schaffen des Zusammenhaltes von Material, sprich, dem Werkstoff.

Wie bei jedem Fertigungsverfahren zur Herstellung von Bauteilen und Produkten, wird auch das Gießen am Ende hinsichtlich der Qualität der hergestellten Erzeugnisse beurteilt.

Jedoch treten auch hier verfahrensbedingt Fehler auf, die die Qualität des Bauteils beeinflussen können.

Fehler, die sich auf die die Maß-, Form-, Lagegenauigkeit sowie die Oberflächengüte auswirken können. Und, letztlich kann dies dann sogar Auswirkungen auf die Funktion eines fertigen Bauteils haben.

Diese Fehler, worauf sind die eigentlich zurückzuführen?

Bei Fertigungsverfahren beruhen diese möglichen Fehler oft auf dem Verfahrensprinzip selbst, also auch auf den dahinterliegenden physikalischen Prinzipien, die zur Anwendung des Verfahrens genutzt werden.

Wie war das noch gleich beim Gießen?

Ja genau, das flüssige Metall erstarrt beim Gießvorgang , aber was hat das jetzt mit den Fehlern zu tun, die nach dem Gießen an einem Bauteil entstehen können?

Zunächst einmal ein Blick zurück zu den Vorgängen beim Gießen:

durch das Aufheizen und Schmelzen des Metalls vergrößert sich, beim Abkühlen aus dem schmelzflüssigen Zustand verringert sich das Volumen, es tritt die sogenannte Schwindung auf.

Beim Gießen unterscheidet man dann die drei wichtigen Phasen bei der Erstarrung von Metallen: die flüssige Schwindung, die Erstarrungsschwindung und die Festkörperschwindung. Letztere nennt man auch Schrumpfung oder kubische Erstarrung.

Ein wichtiger Punkt ist dabei:

wo die letzte Teilmenge der Schmelze erstarrt, man nennt diesen Bereich thermisches Zentrum, entstehen Fehlstellen. Warum eigentlich?

Naja, das Material um das thermische Zentrum ist bereits erstarrt, im Zentrum jedoch erstarrt das noch flüssige Metall weiter. Aber: es ist nicht genügend flüssiges Material mehr vorhanden, welches das Volumen innerhalb des thermischen Zentrums vollständig ausfüllen kann, also, um die Schwindung des Materials auszugleichen.

Und dann? Es entsteht ein Hohlraum, eine Fehlstelle, die man Lunker nennt. So etwas ist beim Gießen praktisch nicht vermeidbar.

Oder vielleicht doch ein wenig?

Hm, wie könnte man das denn machen?

Vielleicht kann man versuchen, doch ein wenig mehr Material, also flüssiges Metall bereitzustellen und der Gießform zuzuführen. Wie mit so einer Art Trichter?

Ja, genau. Dazu wird ein oder es werden mehrere sogenannte Speiser an der Form angebracht. Diese bilden so ein Reservevolumen, die das Gussteil bei der Erstarrung der Schmelze weiter mit nachfließendem Werkstoff versorgen.

Der Trick dabei: das thermische Zentrum soll in den Speiser verlegt werden, um dort vorzugsweise die Bildung von Lunkern stattfinden zu lassen. Und so nicht im Bauteil direkt. Der Speiser wird nach dem Gießen vom Bauteil einfach entfernt. Clever, nicht?

Das thermische Zentrum ist also letztlich auch nichts Anderes als ein Bereich, wo über das ganze Bauteil zeitlich gesehen eine ungleichmäßige Erstarrung, häufig von außen nach innen, auftritt.

Was kann man weiter tun, um eine möglichst gleichmäßige Erstarrung zu ermöglichen?

Als Hilfsmittel für die konstruktive Gestaltung der Querschnitte beim Gießen haben sich Kreise als sinnvoll erwiesen, die man schematisch in dem Bauteilquerschnitt einzeichnet. Diese Kreise repräsentieren die Größe des zu erstarrenden Volumens und sind auch ein Anhaltspunkt, ob und wie leicht Schmelze an dieser Stelle nachfließen kann. Also, ob ein thermisches Zentrum entstehen kann, oder nicht. Günstig erweist sich dabei, wenn der Querschnitt im Vergleich zu den Nachbarkreisen in Richtung des Speisers kontinuierlich zunimmt. Man nennt diese Kreise nach Ihrem Erfinder auch „Heuversche Kreise“.

Durch ungleichmäßige Erstarrung können auch hohe oder zu niedrige Abkühlgeschwindigkeiten beim Gießen entstehen.

Wie war das noch einmal in der Werkstoffkunde? Mal überlegen!

Geringe Abkühlgeschwindigkeiten, also zu langsame Abkühlung, führen zu grobem Korn, das Korn hat Zeit um größer zu wachsen. Am Ende führt das zu verringerter Festigkeit. Je nachdem, wie hoch das Bauteil belastet wird, kann das schon ein großer Nachteil sein, nicht wahr? Die gesamte Oberfläche zwischen den Körnern ist halt bei grobkörnigem Gefüge einfach kleiner als bei einem feinkörnigen Gefüge, wo viele kleine Körner eine große Oberfläche schaffen, die den Zusammenhalt gibt.

Und? Was hilft jetzt dagegen?

Hm, als Abhilfe können beispielsweise Kühlleisen in der Gießform angebracht werden. Die zusätzliche Wärmeleitung in diese Kühleisen bewirkt dann eine schnellere Abkühlung im Vergleich zur Schmelze allein. Ganz schön schlau, oder nicht? Aber ein bisschen mehr Aufwand schon auch.

Und was ist, wenn die Abkühlung zu schnell stattfindet?

Hohe Abkühlgeschwindigkeiten bewirken die Ausbildung dendritischer Gefüge, also eine gerichtete Erstarrung in eine bevorzugte Richtung, und Ausbildung von Lunkern, was wiederum auch die Festigkeit verringert. Auch nicht gut.

Als günstig erweisen sich beim Gießen daher globulare (also kugelförmige) oder feinkörnige Gefüge. Diese führen zu den höchsten Festigkeiten gegossener Bauteile.

Dazu muss man dann aber eine angepasste Abkühlgeschwindigkeit anwenden, also quasi den goldenen Mittelweg finden. D.h.: ein solides Wissen aus der Werkstofftechnik und aber auch Erfahrung sind da sehr hilfreich, um hochqualitative Gussgefüge mit wenig Gussfehlern herzustellen.

Apropos Erfahrung: oder, wie kann man dem Ganzen, also der Erstarrung, vielleicht noch auf anderem Wege auf die Sprünge zu helfen? So, dass genau die gewünschten Gefüge entstehen?!

Eine Möglichkeit, um die Keimbildung und das Wachstum der Kristalle beim Gießen zu fördern ist das sogenannte Impfen.

Hm, was ist das denn? Wir wollen ja jetzt an dieser Stelle keine ansteckenden Krankheiten vermeiden? Aber vielleicht zumindest vermeiden, dass ungünstige Gefügeformen entstehen.

Erinnern wir uns einmal kurz daran, wie Schneekristalle in der Luft im Winter entstehen.
Hm, genau: die kalte, aber auch feuchte Luft kondensiert an festen Partikeln. Es findet ein Wärmeübergang statt, weitere Abkühlung unter den Gefrierpunkt, „Schwups“, ein sogenannter Kondensationskeim entsteht und nach und nach dadurch viele andere neue Schneekristalle.

So ähnlich ist das beim Gießen auch, wenn man die Schmelze impft. Hier gibt man z.B. Grafit-, Ruß- oder Keramik-Partikel zur Schmelze und die Keimbildung wird so deutlich verbessert.

Also, wir wissen nun, durch die falsche Wahl der Abkühlgeschwindigkeiten können ungünstige Gefügeformen entstehen, aber man kann dies durch geeignete Maßnahmen auch positiv beeinflussen.

Erinnern Sie sich einmal kurz zurück: welche waren das noch gleich?

Aber das war doch noch nicht alles!

Welche typischen Fehler beim Gießen können noch entstehen? Welche Ursachen haben diese und wie können wir sie vermeiden?

Warmrisse können kurz vor Ende der Erstarrung entstehen

Wo genau?

  1. vor allem an Querschnittsübergängen, die kaum gespeist werden können
  2. bei Behinderung der freien Schwindung, insbesondere also an Form und Kernen

Die Restschmelze umgibt primär erstarrte Körner, was zu geringer Festigkeit führt. Lunker erleichtern/erweitern Warmrisse zudem auch.

Was kann man dagegen tun?

    1. z.B. die Rippen am Gussteil verdünnen, so dass Material besser nachfließen kann
    2. Kühleisen, die hatten wir schon erwähnt, also eine schnellere Abkühlung und Erstarrung
    3. Reißrippen vorsehen, also gezielt Bereiche schaffen, wo an viel Material bevorzugt Rissen entstehen. Die kann man dann „opfern“, d.h. nachträglich entfernen. Das kostet aber auch zusätzliches Geld.

Neben Warmrissen können im Innern des Gussteils auch Poren entstehen: ungleichmäßig verteilte, runde, glatte Hohlräume. Das ist einer der häufigsten Fehler in Gussstücken.

Die Ursache sind gelöste Gase (Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoffoxide) während der Erstarrung, wenn diese nicht entweichen können. Vermeiden kann man dies durch

  1. Entgasen der Schmelze unter Vakuum
  2. gute Abführung der Gießgase
  3. Verwendung grober Sande für Form und Kern, klar, da können die Gase dann durch die Zwischenräume besser entweichen

Aber Vorsicht mit groben Sand: Penetrationsgefahr! Das heißt, die Schmelze kann an der Trennfläche zwischen Schmelze und Form in diese Lücken zwischen den Formsandkörnern eindringen, so dass schwammartige Aufwürfe bzw. Anbrennungen auf der Oberfläche des Gussteils zurückbleiben. Diese Penetrationen nennt man auch Treibstellen.

Entstehen können diese auch bei ungleichmäßiger Verdichtung des Formsandes.
Also: den Formsand immer sorgfältig und gleichmäßig verdichten!

Mikrolunker entstehen bei dendritischer Erstarrung, wir haben das zuvor schon angesprochen, also bei hohen Abkühlgeschwindigkeiten. Dies kann man z.B. auch durch ein Vorwärmen der Formen und Kerne vermeiden.

Aber nicht zu langsam abkühlen, denn dann entstehen Seigerungen: niedrigschmelzende Verunreinigungen reichern sich in der Restschmelze an, Dichteunterschiede führen zum Aufsteigen der Verunreinigungen. Bei zu langsamer Abkühlung ist für solche Entmischungsvorgänge genügend Zeit, also dann lieber doch wieder ein wenig schneller abkühlen.

Die letztgenannten Fehler Lunker, Warmrisse und Poren wirken sich insbesondere auf die Festigkeit der Gusstücke aus.

Maß, Form- und Oberflächenfehler gibt es auch beim Gießen.

So z.B. vor allem Anhaftungen in Form sogenannter Schülpen. Dies sind über die Oberflächen ragende, zungenförmige Metallansätze. Die Wärmestrahlung beim Abgießen führt zu einer Wölbung von Formteilen, die sich beim Einfließen der Schmelze wieder anlegen und nach der weiteren Schwindung des Gussteils wieder ablösen können.

Was hilft dagegen? Schnelleres Abgießen oder auch ein nach dem Gießen folgendes Schlichten der Oberfläche mit spanenden Verfahren, was aber die Herstellung aufwändiger macht, da Zusatzarbeitsgänge Kosten verursachen. Also lieber von Grund auf versuchen, dies zu vermeiden, wenn es geht.

Weiter kennen wir auch Auswüchse in Form von Treibstellen bzw. Penetrationen, diese haben wir eben schon kennengelernt, als Folge der Verwendung zu grober Formkörner.

Grate sind messerartige Vorsprünge, die meist senkrecht zu einer Fläche des Gussstücks an Formteilungen und Kernmarken entstehen. Schmelze kann in Spalte zwischen den Formkästen und Spalte zwischen Form und Kernauflagezapfen eindringen. Eine Vermeidung ist kaum möglich, wenn man die erforderliche Genauigkeit und die entstehenden Kosten gegeneinander aufwiegt. Grate werden daher oft durch Nachbehandlung, das sogenannte Putzen der Gussstücke entfernt.

Formbeschädigungen bewirken die Entstehung von Auswüchsen an den fertigen Gussteilen , also auch überstehendes Material am Gussstück an Stellen fehlender Form- und Kernbestandteile. Vermeiden kann man dies durch das Vorsehen von Ausformschrägen, was ein Abreißen der Kanten vermeiden kann.

Seien Sie also auch sorgsam beim Kerneinlegen!

Was kann sonst noch passieren?

Was ist, wenn Führungselemente der Formkästen schadhaft sind oder die Führung der Modellhälften gelockert ist? Wenn das Einformen des Modelloberteils ohne vorherige Kontrollmontage des Modells erfolgt? Dann kann ein Versatz zwischen Unter- und Oberteil der Form entstehen. Vermeiden Sie dies, indem Sie Führungselemente überprüfen

und die Modellpassung erneuern bzw. ausbessern.

Unvollständiger Guss führt zu Abrundungen anstelle von gewollten Kanten am Bauteil. Also nichts anderes als unvollständig ausgebildete Konturen. Das kann vor allem bei zu geringer Gießtemperatur und zu geringem Gießdruck auftreten.

Neben Formversatz kann auch eine Kernverlagerung entstehen. Diese führt zu ungleichmäßige Wanddicken, während die Außengeometrie vollkommen in Ordnung sein kann. Beim Einguss kann dies durch die Auftriebskraft, besonders bei ungenügender Kernhalterung in der Form auftreten.

Vermeiden können Sie dies durch eine geeignete Konstruktion von Form und Kernen, insbesondere durch geeignete Anordnung oder auch zusätzliches Anbringen von Kernlagern.

Maßabweichungen sind im Allgemeinen typische Fehler bei Fertigungsverfahren, natürlich auch beim Gießen. Die Abmessungen weichen vom Sollmaß der Zeichnung ab.

Dies kann vielfältige Ursachen haben: falsches Schwindmaß, Modellfehler, Modellverschleiß, falsche Kernmaße. Vor dem eigentlichen Gießen können Sie zur Bestimmung des Schwindmaßes Probegüsse erstellen. Aber auch die Unterstützung durch Simulationstechniken zur Berechnung der Abkühl- und Erstarrungsvorgänge ist denkbar.

Nicht zuletzt als Gussfehler, der zu Abweichung von Form und Maß führen kann, ist der Verzug zu nennen.

Eigenspannungen bei der Abkühlung sind die Entstehungsursache.

Vermeiden können Sie dies:

  1. indem Sie gleichmäßige Wanddicken vorsehen
  2. auf schroffe Wanddickenübergänge verzichten
  3. Verrippungen anbringen
    - die Rippendicke sollte dabei ca. 0,8-mal der Wanddicke betragen
  4. ähnlich wirkt auch das Anbringen von Randverdickungen an kritischen Stellen

Abschließend noch ein paar wichtige Regeln für eine form- und gießgerechte, beanspruchungsgerechte und fertigungsgerechte Gestaltung beim Gießen:

 

  1. zur form- und gießgerechten Gestaltung:

 

 

  • vermeiden Sie Materialanhäufungen!
  • bringen Sie dabei, wenn nötig, Aussparungen besonders an Übergängen an!
  • verwenden Sie gleichmäßige Wandstärken, Hilfestellung geben die Heuverschen Kreise, wir erinnern uns!
  • sehen Sie Ausformschrägen bei der Gestaltung der Modelle vor, um Beschädigungen der Form beim Entnehmen des Modells zu vermeiden.
  1. zur beanspruchungsgerechten Gestaltung.
  • vermeiden Sie Belastungen, die kritische Stellen am Bauteil mit Zugspannungen beanspruchen
  • achten Sie darauf, dass an Übergängen keine Kerbwirkung entsteht
  1. wichtige fertigungsgerechte Gestaltungsregeln:
  • sehen Sie bei nachfolgender spanender Bearbeitung Anschläge vor, an denen Sie das Bauteil genau genug einspannen können
  • vermeiden Sie schräge Anbohrflächen
  • denken Sie an Auslaufwege für Werkzeuge
  • berücksichtigen Sie ausreichend Fläche für die Zugänglichkeit von Montagewerkzeugen, wie z.B. Schraubenschlüsseln

 

Abschließend vielleicht noch ein Beispiel gefällig, um aufzuzeigen, welche Fehler in einem Bauteil insgesamt auftreten können? Schauen Sie doch einmal in unser Vorlesungsskript. Dort ist ein gegossenes Bauteil in Form einer technischen Zeichnung gezeigt, dass auf einer Seite der Symmetrielinie günstige, auf der anderen Seite ungünstige Verhältnisse für das Gießen aufweist. Zur Übung können Sie sich damit überlegen, welche Gussfehler dort jeweils vorliegen bzw. welche Gestaltungsregeln Sie anwenden sollten.

Neugierig, aber unsicher, welches die richtigen Lösungen sind?

Ein kleiner Tipp: im „Dubbel-Das Taschenbuch für den Maschinenbau“ finden Sie auch die Lösungen dafür.

Aus Hamburg sagen wir in der Fertigungstechnik auch heute wieder „Tschüß“.

Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: „mal wieder ein bisschen Fertigungstechnik“. Ich freue mich darauf. Bleiben Sie dran!

 

geschrieben von Dr.-Ing. Christian Müller
eingesprochen von Dr.-Ing. Christian Müller