007-Drehverfahren

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Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. Diesmal soll es auf Nachfrage um die Drehverfahren aus der DIN 8589-1 gehen. Das ist ein sehr expliziter Verweis auf eine Norm, weswegen ich gerne ein wenig allgemeiner beginnen würde. Die 8589-1 wurde im Kontext der DIN 8580 eingeführt. Die DIN 8580 ist DIE Norm für uns fertigungstechnisch Interessierten – weswegen sie auch in der zweiten Folge unseres Podcasts erläutert wurde.

Das in der DIN 8580 eingeführte Ordnungssystem beschäftigt mich auch heute, allerdings auf einem niedrigeren Level. Denn in der DIN 8589-1 geht es um Untergruppen. Davon gibt es eine ganze Menge. Auf einige komme ich im Laufe der nächsten Minuten zu sprechen.

Erst einmal folge ich der Hierarchie der DIN, um zu den Drehverfahren zu gelangen. Ich bewege mich in der Hauptgruppe „Trennen“ und innerhalb dieser Hauptgruppe in der Gruppe 3.2 "Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide".

Was verbirgt sich dahinter?

Spanen heißt es deshalb, weil der Werkstoff in Form von Spänen abgetragen wird. Diese Späne sind das Abfallprodukt des Fertigungsprozesses. Da das Ganze mit geometrisch bestimmter Schneide passiert, lässt sich für den Prozess genau sagen, wie viele Schneiden im Eingriff sind, welche Geometrie sie besitzen und wie sie zum Werkstück positioniert sind. Diese Gruppe ist so explizit benannt, um sie von der Gruppe 3.3 zu unterscheiden. Gruppe 3.3 ist nämlich das "Spanen mit geometrisch unbestimmter Schneide". Ein Verfahren aus dieser Gruppe, von dem wohl jede und jeder schon einmal gehört hat, ist das Schleifen.

Hier beruhen die Aussagen über die Geometrie der Schneiden auf Statistik, nicht auf den tatsächlich ermittelten Geometrien. Dieser Blick zur Seite soll wieder nur als kurze Orientierung dienen.

Innerhalb der Gruppe 3.2 gibt es die Untergruppe 3.2.1 - Drehen. Diese Nummer, die im Laufe der Folge immer mehr Stellen erhalten hat, ist übrigens die sogenannte Ordnungsnummer. Je mehr Ziffern diese Nummer enthält, desto präziser ist das Verfahren definiert. Damit wäre also der nicht ganz so kurze Bogen zum eigentlichen heutigen Thema geschlagen. Denn diese Untergruppe ist durch die DIN 8589-1 definiert.

Bevor es nun mit den Inhalten der 8591-1 weitergeht, eine kurze Zwischenbilanz:

Ich bewege mich im Kontext der DIN 8580. In dieser Norm ist die Hauptgruppe 3, das Trennen, relevant. Hier wähle ich die Gruppe 3.2, also das Spanen mit geometrisch bestimmter Schneide. Die erste Untergruppe, also die 3.2.1, ist mein "Ziel" für diese Folge: das Drehen.

Was steht denn nun in dieser DIN? Inhaltlich geht es los mit einer ganz grundlegenden Begriffsklärung: der Definition des Drehens. Die zwei ersten Absätze hierzu möchte ich gerne einmal vorlesen:

"Spanen mit geschlossener, meist kreisförmiger Schnittbewegung und beliebiger, quer zur Schnittrichtung liegender Vorschubbewegung. Die Drehachse der Schnittbewegung behält ihre Lage zum Werkstück unabhängig von der Vorschubbewegung bei."

Was ist die erste Information, die ich aus diesen zwei Sätzen ziehen kann? Entgegen der allgemeinen Annahme muss sich beim Drehen nicht zwingend das Werkstück drehen. Die Relativbewegung kann auch vom Werkzeug ausgehen. Tut sie im Allgemeinen aber trotzdem so gut wie nie. Warum diese Definition hier so erfolgt, kann man im weiteren Verlauf der Norm feststellen. Per Definition geht bei einigen Verfahren die Schnittbewegung nämlich tatsächlich vom Werkzeug aus. Bei der Betrachtung dieser Verfahren befinde ich mich aber schon bei Ordnungsnummern mit fünf Stellen. Diese werde ich in dieser Folge nicht mehr beleuchten. Aber auf die Ordnungsnummern mit 4 Stellen möchte ich noch eingehen.

Der erste Eintrag aus dieser Kategorie behandelt das Plandrehen. Das Plandrehen ist per Definition ein Drehvorgang, der eine ebene Fläche erzeugen soll. Diese ebene Fläche liegt zudem senkrecht zur Drehachse des Werkstückes. In vielen Dreh-Fertigungsvorgängen ist das Plandrehen der erste Schritt. Es wird nicht nur eine Oberfläche mit angemessener Güte erzeugt. Das Plandrehen wird außerdem dafür eingesetzt, dass das Fertigteil am Ende maßhaltig ist. Zumindest wenn das Rohmaterial nicht über einen Stangenlader in die Maschine gelangt. Da in vielen Fällen der Werkstücknullpunkt auf der Stirnfläche des Drehteils liegt, kommt dieser eine besondere Bedeutung zu.

Der nächste Eintrag mit einer vierstelligen ON beschreibt das Runddrehen. Hier soll eine kreiszylindrische Fläche hergestellt werden. Diese ist wiederum koaxial zur Drehachse des Werkstückes. Oder einfach gesagt: Es wird ein Zylinder gedreht, dessen Mittelachse die Rotationsachse des Rohteils ist.

Die ON 3.2.1.3 benennt das Schraubdrehen. Hier werden mit einem Profilwerkzeug Schraubflächen erzeugt. Ob ich nun relativ große Bolzen mit einem Außengewinde versehe oder aber die dazugehörige Mutter mit einem Innengewinde - beides wird auf der Drehmaschine mittels Schraubdrehen bewerkstelligt. Für diese Vorgänge muss der Vorschub der Gewindesteigung entsprechen.

Es folgen Definitionen für das Wälz- und das Profildrehen. Beide Verfahren finden heutzutage, zumindest nach meinem Kenntnisstand, keine allzu häufige Anwendung - zumindest im Sinne der klassischen Definition.

Es ist zwar oft von Profildrehen die Rede, jedoch ist damit in der Regel das Erzeugen eines Profils durch die Verfahrwege des Werkzeugs gemeint. Mit "Profil" meine ich hier die Kontur, die ich sehe, wenn ich auf das Drehteil schaue, während ich es von hinten beleuchte. Quasi der Umriss des Werkstückes. Laut der DIN wird während des Profildrehens jedoch das Profil des Werkzeugs auf dem Werkstück erzeugt - die Form des Werkzeugs soll sich also in dem Profil des Werkstückes wiederfinden. Am ehesten ist das bei der Erzeugung von Ein- oder Freistichen der Fall. Bei Letzterem wird oftmals der Schneidkantenradius des Werkzeugs an der Freistich-Geometrie abgebildet. Das ist meistens in der Serienfertigung der Fall, wo geringe Zykluszeiten sowie Werkzeugkosten pro Stück gefordert werden.

Die letzte beschriebene Untergruppe mit einer vierstelligen ON ist das Formdrehen. Das Werkstück erhält hier seine Form durch die gezielte Steuerung der Vorschubbewegung. In speziellen Fällen wird die Form auch durch die gezielte Steuerung der Schnittbewegung beeinflusst. So können rotationssymmetrische Freiformflächen erzeugt werden. Man könnte sagen, dass das Werkzeug ein Profil abfährt, welches sich dadurch im Werkstück abbildet. Das, was im Sprachgebrauch als "Profildrehen" verwendet wird, ist also eigentlich eher als "Formdrehen" zu sehen. Durch Beeinflussung der Schnittbewegung können auch nicht-rotationssymmetrische Formen erzeugt werden. Das Formdrehen ist wohl die populärste Bearbeitungsart im Kontext des Drehens. Eben diese Bearbeitung ist einer der großen Vorteile der Zerspanung gegenüber der Umformtechnik.

Mit ein und demselben Werkzeug können die verschiedensten Geometrien erzeugt werden. Solche Flexibilität ermöglichen Losgröße 1 bei gegebener Wirtschaftlichkeit. Ein kleines Augenzwinkern an ein paar Kollegen hier aus der Redaktion an dieser Stelle.

 

geschrieben von David Stachg
eingesprochen von David Stachg