025-Erprobung eines Postprozessors

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Transkript

Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Fertigungstechnik.
Nachdem ich vor einiger Zeit von den grundlegenden Abläufen im CAM-System erzählt habe, möchte ich heute ein wenig Dampf ablassen. Dabei liegt der Fokus auf der Erprobung von Postprozessoren.
Noch einmal zur Auffrischung: Im CAM-System wird ein Fertigungsprogramm erzeugt, welches später von einer ausgewählten CNC-Maschine umgesetzt werden soll. Dieses Fertigungsprogramm liegt nach Erstellung im CAM-System allerdings in einem Datenformat vor, welches die CNC-Maschine nicht versteht.
Der Postprozessor ist dafür da, die Daten aus dem CAM-System in ein Format zu übersetzen, das die CNC-Maschine verarbeiten kann.
Der Postprozessor ist eine Schnittstelle zwischen CAM-System und CNC-Maschine. Und Schnittstellen sind in unserer digitalisierten Welt wohl die größte Herausforderung.
Vor einiger Zeit haben wir am Institut eine neue CAM-Software eingeführt. Naja, prinzipiell sind wir noch dabei sie einzuführen. Mit dieser neuen Software kommen auch neue Postprozessoren, die erst einmal erprobt werden müssen.
Die Möglichkeiten in dieser Software sind schier unbegrenzt. Dies ist meistens Fluch und Segen zugleich. Wenn man mit den grundlegenden Prinzipien des Systems vertraut ist, geht die Erzeugung eines Fertigungsprogramms im CLDATA-Format eigentlich ganz schnell.
Ein kleiner Clickbait an dieser Stelle: Was das CLDATA-Format ist, habe ich in Podcast-Folge 5 kurz beschrieben.
Nun ist es jedoch so, dass aus diesem CLDATA-Format nicht automatisch der richtige Code für die CNC-Maschine generiert wird. Es hängt vieles an Einstellungen im System, an Modulen, die ich in der Software nutze und an deren Zusammenspiel mit dem Postprozessor.
Die Erfahrung an dieser Stelle ist, dass Werkzeugwege, die augenscheinlich gut aussehen, nicht unbedingt so durch den Postprozessor kommen.
Anekdote: Warum fertigt der Fräser bei der Fertigung meines Drehteils nicht die Stirnnut, sondern verfährt irgendwo bei einer z-Koordinate von +200 und stochert in der Luft herum? Na, weil ich beim Anlegen der Operation nicht ausdrücklich gesagt habe, dass das KOS gedreht werden muss.
Das KOS liegt doch im Werkstücknullpunkt und ist genau wie das eigentlich KOS orientiert. Das bringt doch so keine notwendigen Änderungen mit sich!
Ja, das ist dem CAM-System im Zusammenspeil mit dem Postprozessor erstmal egal!
Der Schein kann also täuschen: What you see is not always what you get!
Was aus dieser Erfahrung folgt, ist der nächste Dämpfer in meiner persönlichen Beziehung zur CAM-Software.
Anstatt viele verschiedene Fertigungsprogramme durchzuprogrammieren, implementiere ich jeden Schritt der Fertigung einzeln und prüfe danach, was aus dem Postprozessor herauskommt. Es ist keine Seltenheit, dass das Ergebnis nicht viel Sinn ergibt. Dann heißt es zurück zur Implementierung und an der nächstmöglichen Stellschraube drehen.
Diese Stellschraube steht hier für das Setzen einer Einstellung. Das Ganze mache ich iterativ so lange, bis der Fertigungsschritt endlich vom Postprozessor umgesetzt wird. Oder die Feststellung folgt, dass der Postprozessor überarbeitet werden muss.
Letzteres ist einerseits ätzend, da der Weg zu dieser Situation der längste ist – alle Möglichkeiten werden probiert. Andererseits ist das auch ein gutes Gefühl – der Fehler liegt erst einmal nicht direkt bei mir als Anwender.
Teilweise komme ich mir bei dieser Arbeit eher vor wie ein Software-Entwickler als wie ein Fertigungsingenieur. Das Ganze passiert auf Anwendungsebene, ist aber ein sehr iteratives Vorgehen.
In diesen Situationen kommt bei mir öfter die Frage auf: Muss diese Quälerei wirklich sein?!
Die kommerziellen Möglichkeiten für werkstattorientierte Programmierung werden immer besser. Bei dieser Art von Programmierung findet das Erstellen der Fertigungsprogramme direkt in einer grafischen Benutzeroberfläche der Steuerungsumgebung der CNC-Maschine statt.
Das ist oftmals deutlich übersichtlicher und auch effizienter als die Arbeit im CAM-System. Wenn die Bearbeitungsvorgänge nicht zu komplex werden, ist diese werkstattorientierte Programmierung in der Praxis oft das Mittel der Wahl. Das CAM-System würde ich in diesem Fall als die sprichwörtliche Kanone bezeichnen, mit der auf die rotationssymmetrischen Spatzen geschossen wird.
Warum soll ich also trotzdem so viel Zeit und Energie in dieses CAM-Thema investieren?!
Es sind wohl vor allem Themen, die über das bloße Anfertigen eines Serienteils hinausgehen, die mich in diesem Bereich antreiben.
Im Bildungsbereich ist die Nutzung von CAM-Software inklusive des digitalen Abbilds der CNC-Maschine und ihrer Steuerung ein schöner Ansatz. So wird die Implementierung der Fertigung deutlich anschaulicher und Hemmungen im Erstkontakt mit CNC-gesteuerter Fertigung vorgebeugt.
Das liegt zum einen daran, dass der Fertigungsprozess bzw. seine Simulation aus jedem erdenklichen Winkel dargestellt werden kann. Zum anderen wird die Maschinensteuerung im tatsächlichen Layout dargestellt. Es ist digital zu sehen, was im nächsten Schritt an der physischen Maschine zu sehen sein wird. So ist der „Schock“ an der realen Maschine später nicht allzu groß.
Die Nutzung der Software für die Fertigungsoptimierung und die sichere Kollisionsanalyse gehören wohl zum Standardrepertoire, möchte ich an dieser Stelle aber trotzdem noch einmal erwähnen.
Ein weiteres Thema ist die Nutzung von CAM-Software für strategische Zwecke.
So weiß ich von einem deutschen Automobilhersteller, dass er die Erkennung von Bauteil-Features im CAM-System dafür genutzt hat, um seine Fertigungsprozesse zu standardisieren und in diesem Zuge seine Vorgaben für Zulieferer gleich mit.
Das ist eine Anwendung der mächtigen Software, die mit der Umsetzung einer Bauteilfertigung erst einmal nicht mehr viel zu tun hat.
Für die industrielle Anwendung ist ein anderes Argument noch viel schwerwiegender. Mit einer entsprechend aufgebauten Datenbank lässt sich der Großteil der Programmierung automatisiert erschlagen.
Dieser Aspekt ist eng mit dem Vorherigen verknüpft. Denn ohne standardisierte Prozesse funktioniert dieses Prinzip nicht. Dazu möchte ich aber an anderer Stelle mehr erzählen.
All diese Dinge sind für mich Grund genug, die Arbeit mit dem CAM-System weiter zu verfolgen. Und diese Aspekte halte ich mir vor Augen, wenn ich den Rechner am liebsten aus dem Fenster werfen möchte, weil die Umsetzung nicht so funktioniert, wie ich es mir vorstelle.
Das gute an dieser Situation ist, dass ein Postprozessor nur einmal erprobt werden muss. Das ist kein wiederkehrender Prozess und von daher im Endeffekt auch halb so schlimm.
Falls jemand ähnliche oder gänzlich andere Erfahrungen oder Meinungen hat, freue ich mich auf Rückmeldung via E-Mail oder Twitter.
Bis zum nächsten Mal, wenn es wieder heißt: „Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Fertigungstechnik.“

geschrieben von David Stachg
eingesprochen von David Stachg