029-Werkzeugbau

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Insbesondere für die Fertigungsverfahren der Urform- und Umformtechnik bedarf es speziell angepasster Werkzeuge und Formen. (Fast) jedes Werkstück hat in diesen Fachgebieten „sein“ Werkzeug oder „seine“ Form, zum Teil auch noch Modelle, um Formen herzustellen. Es gibt wenige Verfahren mit Standardwerkzeugen, wie wir es aus der Zerspanung kennen. Und wenn wir von Werkzeugen sprechen, dann gibt es dort sehr unterschiedliche Werkzeuggrößen – von relativ kleinen Werkzeugen, die auf die Grundfläche eines DINA4-Blattes passen bis hin zu tonnenschweren Werkzeugen in einfamilienhaus-großen Umformpressen, die mehrere Prozessschritte in einem Werkzeug vereinen. Ohne diese Werkzeuge ist die jeweilige Werkzeugmaschine, z.B. eine Hydraulikpresse, nur eine Maschine, die einen Stempel in einer Achse bei Aufbringung von unterschiedlichen Kräften verfahren kann. Erst mit dem Werkzeug wird das Fertigen der spezifischen Produkte möglich.
Dabei finde ich diesen Bereich der Produktionstechnik deshalb so interessant, weil für die Entwicklung und Herstellung dieser Werkzeuge die Methoden der Produktentwicklung und Konstruktionstechnik ihren Platz auch in der Fertigungstechnik finden. Und jede Produktentwicklung beginnt mit der Definition von Anforderungen. Was sind also die Anforderungen an ein Umformwerkzeug?
Zunächst gilt es, die formgebenden Teile aufzunehmen, zu positionieren und zu verfahren. Dabei geht es auch um die Einhaltung von Toleranzen, um die geometrischen Vorgaben der herzustellenden Bauteile zu gewährleisten. Damit verbunden sind entsprechend Vorgaben an die Führung innerhalb des Werkzeuges. Häufig kommen Säulengestelle mit an das jeweilige Fertigungsverfahren angepassten Führungssystemen wie z.B. Rundführungen mit Gleitlagerungen zum Einsatz. Eine weitere Anforderung ist in der Aufnahme der Umformkräfte zu sehen, die vom Antrieb der Werkzeugmaschine durch den Stempel ins Werkstück eingeleitet werden. Diese Anforderung führt sehr häufig zu schweren, massiven Werkzeugen, auch wenn die Werkstücke vermeintlich klein aussehen. Massive Werkzeuge finden ihre Begründung auch in der Vermeidung von Schwingungen, die insbesondere bei hohen Hubzahlen, also zu fertigenden Werkstücken pro Zeiteinheit, die Werkzeuge schädigen oder auch zu Qualitätsmängeln an den Werkstücken führen können.
Wichtig ist auch, dass die Werkzeuge unter Belastung formstabil bleiben. Die elastische Verformung während des Umformens soll möglichst gering sein, da sich diese direkt auf die Qualität des Werkstückes auswirkt. Eine entsprechende Kenntnis der Durchbiegungen und Verformungen ist im Prozess der Werkzeugentwicklung essentiell, ebenso die Kenntnis des Rückfederungsverhaltens des umzuformenden Werkstücks, um die geometrischen Anforderungen an das Bauteil zu erfüllen. Deshalb ist insbesondere die Simulation des elastischen Verhaltens von Werkzeug und Werkstück während des Umformprozesses ein häufiger Schritt in der Entwicklung der Werkzeuge. Und dieses elastische Verhalten ist auch einer der häufigsten Gründe, warum Umformwerkzeuge in vielen Fällen iterativ entwickelt werden, bis die Werkstücke in der entsprechenden Qualität in hohen Stückzahlen hergestellt werden können.
Häufig werden die Werkzeuge gehärtet und / oder beschichtet, um mechanischen Verschleiß am Werkzeug hervorgerufen durch die Relativbewegung zwischen Werkzeug und Werkstück entgegenzuwirken. Dabei sind mögliche Verzüge beim Härten zu berücksichtigen und ggf. später nachzuarbeiten. Beschichtungen müssen mit möglicherweise im Einsatz befindlichen Schmiermitteln abgestimmt sein, die Kräfte und Verschleiß am Werkzeug minimieren sollen.
Insbesondere in der Warmumformung, aber auch beim Urformen werden die Werkzeuge stark thermisch belastet. Dieses kann zu thermisch induzierten Rissen, aber auch zur Entfestigung der Werkzeugwerkstoffe führen, was sie wiederum anfälliger für Verschleiß durch die mechanischen Belastungen macht.
Welche Verfahren kommen für die Herstellung der Werkzeuge in Betracht? Aufgrund der verwendeten (mit Blick auf die Verschleißfestigkeit) hochfesten Werkstoffe kommt das Erodieren zum Einsatz. Alternativ werden Werkzeuge insbesondere zerspanend hergestellt – das Hochgeschwindigkeitsfräsen findet seinen ursprünglichen Grund zur Entwicklung im Werkzeug- und Formenbau. Härten ist, wie schon gesagt, einer der essentiellen Prozessschritte, um Verschleißfestigkeit herzustellen. Aktuell laufen Untersuchungen zum Einsatz 3D-gedruckter Werkzeuge, die neue Möglichkeiten z.B. zur Integration von Kühlkanälen eröffnen.
Die methodische Weiterentwicklung im Bereich der Produktentwicklung und Konstruktionstechnik findet ihren Niederschlag auch im Werkzeug- und Formenbau. Standardisierung und Modularisierung sind Schlagworte hin zu einer effizienten Entwicklung der Werkzeuge. Agile Projektmanagementmethoden werden auf ihren Einsatz hin untersucht und ausprobiert.
Der Werkzeug- und Formenbau in Deutschland ist eine ganz eigene Branche mit vielen mittelständischen Unternehmen, die sehr häufig dicht an ihren Kunden der urformenden und umformenden Industrie ihre Standorte haben.
Warum ich den Werkzeug- und Formenbau so spannend finde? Weil hier eine Schnittstelle zwischen Methoden der Konstruktionstechnik und der Entwicklung von Fertigungsverfahren liegt, die ein gemeinsames Verständnis dieser häufig konkurrierenden Disziplinen braucht.

 

geschrieben von Prof. Stöver
eingesprochen von Prof. Stöver