042-Finksche Gleichung

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In vielen Diskussion in Politik und Industrie geht es aktuell um den Verbrauch von Energie bzw. weitergehend die mögliche Reduzierung des Energieverbrauchs auf ein Minimum. Dabei ist es für uns in der Fertigungstechnik gut zu wissen, wie viel Energie oder auch Arbeit für ein Fertigungsverfahren benötigt, z.B. für das Umformen eines Bauteils mittels Walzen, Schmieden, Tiefziehen oder Biegen. Dabei bildet die Grundlage die sogenannte Fink´sche Gleichung, die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts aufgestellt wurde. Diese Zeit war geprägt durch die Industrialisierung, den Aufbau von Infrastruktur, z.B. im Bereich der Eisenbahn. Benötigt wurden Eisenbahnschienen, Walzprodukte der Umformtechnik. Um diese Fertigungsprozesse auszulegen und insbesondere die Größe der Werkzeugmaschinen zu bestimmen, war es notwendig die Arbeit zu berechnen. Professor Carl Fink hatte 1874 seine „Theorie der Walzenarbeit“ veröffentlicht. 1821 geboren machte er eine Lehre in der Maschinenwerkstatt und besuchte anschließend die Potsdamer Gewerbeschule wie auch das Königliche Gewerbliche Institut. Hier wurde er Lehrer und unterrichtete Maschinenkunde und mechanische Technologie. Später ging das Gewerbeinstitut in der Königlichen Technischen Hochschule Berlin auf, der heutigen Technischen Universität Berlin. Carl Ludwig Fink lehrte als Professor dort mechanische Technologie, Hebemaschinen, Fabrikanlagen und Hydraulische Motoren. Zudem stand er dreimal für jeweils ein Jahr der Abteilung für Maschinenwesen vor, war also vielleicht so etwas wie ein Department- oder Fachbereichsleiter seiner Zeit. 1888 starb Fink in Berlin. Seine Berechnungen zur Walzenarbeit wurden fortgesetzt und durch praktische Versuche hinterlegt, teilweise bestätigt und modifiziert.
Die sogenannte Fink´sche Gleichung beschreibt nun die Berechnung der ideellen Umformarbeit – also ohne Verluste z.B. durch Reibung. Diese wird dabei definiert als das umgeformte Volumen multipliziert mit der mittleren Fließspannung und dem Umformgrad. Zunächst sei ein Plausibilitätscheck erlaubt: Volumen (Einheit Kubikmeter) multipliziert mit einer Spannung (Einheit Newton pro Fläche, z.B. Quadratmeter) ergibt Newtonmeter, also die Einheit der Arbeit bzw. Energie. Der Umformgrad ist eine dimensionslose Größe. Die Formel ist also auf den ersten Blick plausibel.
Schauen wir uns die Formel nochmal genauer an:
Das umgeformte Volumen ist dasjenige, auf das die Umformkraft ausgeübt wird, das folglich durch die eingebrachte Energie umgeformt wird. Aufgrund der Volumenkonstanz von Umformprozessen kann hier auf das Volumen des Rohteils zurückgegriffen werden, was die Berechnung des Volumens häufig erleichtert, da Stangen (Zylinder oder Quader) leicht zu berechnen sind. Zu beachten ist, dass unter Umständen nicht das gesamte Rohteil umgeformt wird, wie z.B. beim Anstauchen eines Stabes zur Herstellung eines Schraubenkopfes.
Der Umformgrad ist die logarithmische Formänderung, berücksichtigt folglich den Logarithmus des Verhältnisses der geometrische Größen nach und vor dem Umformvorgängen. Im Gegensatz zur Dehnung geht in die Berechnung des Umformgrades nur die plastische Formänderung ein. Das macht natürlich Sinn, weil die Elastizität nach Wegnahme der Kraft „zurückfedert“. Zudem lassen sich logarithmische Formänderungen summarisch behandeln. Die Summe aller logarithmischen Formänderungen an einem Werkstück ist Null, was wiederum die Grundbedingung der Volumenkonstanz berücksichtigt.
Die mittlere Fließspannung berücksichtigt dann die mittlere aufzubringende Spannung, um das Umformen ein- und aufrechtzuerhalten. Hierzu bedarf es der Kenntnis des Werkstoffs und seiner Fließkurve bei den vorliegenden Randbedingungen (Temperatur, Umformgeschwindigkeit, Vorverfestigung). Entsprechend der Berechnung der Arbeit als Fläche in einem Kraft-Weg-Diagramm wird auch hier die Fläche unter der Fließkurve aufgetragen über dem Umformgrad berechnet. Bei konstanter Fließspannung ergäbe dieses ein Rechteck. Bei einer linearen Gleichung der Fließspannung in Abhängigkeit des Umformgrades wäre es möglich, das arithmetische Mittel der Fließspannung zu Beginn und zum Ende des Umformvorganges zu nutzen. Dieses funktioniert auch, wenn diese Linerität nur in dem betrachteten Bereich besteht. In allen anderen Fällen ist die Fläche als Integral der Fließspannung über dem Umformgrad zu berechnen.
Soll anstelle der ideellen Umformarbeit die reale Arbeit berechnet werden, ist der Umformwirkungsgrad zu berücksichtigen, indem dessen Kehrwert mit der ideellen Arbeit multipliziert wird. Die benötigte Energie wird entsprechend höher.
Bei stationären Verfahren, wenn also die Kraft über die Zeit bzw. den Weg konstant bleibt, kann die Arbeit durch den Weg dividiert werden und die verbleibende Formel zur Berechnung der Umformkraft genutzt werden.
Bei nicht-stationären Verfahren sind ggf. andere Berechnungsansätze zu verfolgen. Die Finksche Grundgleichung bietet folglich eine gute Basis zur Auslegung von Umformprozessen und eine erste Abschätzung der notwendigen Energie und damit der Definition des Minimums an Energie, welche zur Umformung benötigt wird.

geschrieben von Prof. Stöver
eingesprochen von Prof. Stöver