043-Umformmaschinen
Die Episode
Transkript
Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. Diesmal soll es um die Schwergewichte der Produktion gehen: die Umformmaschinen. Wobei ich die Maschinen mit rotierenden Werkzeugen (die Walzwerke) ignoriere und mich um die mit den linearen Werkzeugbewegungen kümmere: Die Pressen.
Pressen sind dafür da, in mindestens einer linearen Achse eine Kraft aufzubringen. So weit so langweilig (zumindest vielleicht im Vergleich zu einem 6-Achs-Fräsbearbeitungszentrum, wo sich alles bewegt und die Späne fliegen). Was braucht man dafür?
Als erstes benötigt die Presse ein Gestell. Dieses ist dafür da, die Kräfte aufzunehmen. Gestelle gibt es in verschiedenen Bauformen. Zunächst unterscheidet man C- und O-Gestelle. Beim C-Gestell ist der Werkzeugtisch am unteren Ende des Buchstabens, die Kraft wird vom oberen Ende aus eingeleitet. Das Werkstück wird in die Öffnung dazwischen gelegt. Das ist als Bild vielleicht mit einer Schraubzwinge vergleichbar. C-Gestelle haben den großen Vorteil, dass die Zugänglichkeit zum Bauraum sehr gut ist. Allerdings haben sie den Nachteil, dass sich das C bei hohen Kräften aufbiegen will. Darunter leidet die Genauigkeit und die Führungen und Aktoren werden stärker beansprucht. Für kleinere Kräfte ist das kein Problem, wenn wir eine solche Einständerpresse verwenden. Um auch etwas größere Kräfte aufbringen zu können und trotzdem die Zugänglichkeit weitestgehend zu erhalten, werden Doppelständerpressen verwendet. Dazu baue ich im Prinzip zwei C-Gestelle parallel nebeneinander und verbinde sie mit Platten und Streben, quasi ein breites C.
O-Gestelle haben links und rechts des Bauraumes die tragenden Elemente, unten den Tisch und oben einen Querbalken. Die Kraft wird mittig eingeleitet, so dass sich der Kraftfluss symmetrisch aufteilt. Selbst wenn der Querbalken elastisch nachgibt, bleibt die Krafteinleitung möglichst senkrecht. Bei so einer Zweiständerpresse ist aber nur noch die Zugänglichkeit des Bauraums von vorne und hinten möglich.
Um dies auszugleichen, könnte man in die Ständer von der Seite auch noch Durchgänge einbringen, so dass eine Vierständerpresse (ein Ständer an jeder Ecke des Bauraums) oder, wenn die Ständer gleich auch zylindrische Führungen sind, eine Vier-Säulen-Presse entsteht.
Das Bauteil, dass die Kraft auf das Werkzeug überträgt, nennt man Stößel oder Bär und ist bei großen Pressen häufig als großer gelber oder orangefarbener Kasten ausgeführt. Oben wird die Kraft eingeleitet, unten wird das Oberteil des Werkzeugs angeschraubt. Der Pressenstößel wird von Führungen gehalten.
Das Werkzeug steht auf dem Pressentisch und ist bei Pressen das eigentlich spannende Bauteil, obwohl es eigentlich gar nicht zur Presse gehört. Das Werkzeug entscheidet in letzter Instanz, welche Form das Werkstück mit welchen Verfahren erhält. Zum Werkzeugbau hat Enno Stöver ja schon eine Episode veröffentlicht. In z. B. einer Hydraulikpresse kann ich, je nach Werkzeug, tiefziehen, fließpressen, stanzen, streckziehen, prägen oder biegen.
Jetzt fehlt noch der Antrieb. Beim Antrieb teilen sich die Umformmaschinen in drei Familien auf: kraftgebunden, arbeitsgebunden und weggebunden.
Zu den kraftgebundenen Pressen gehören die Hydraulikpressen. Eine Pumpe erzeugt einen Druck in einem Medium, meistens Öl. Der Druck wird über Schläuche oder Rohre zu einem Kolben oder Zylinder geleitet. Dort wirkt er auf die Kolbenfläche und erzeugt dadurch eine Kraft. Maximaler Druck multipliziert mit der Fläche ergibt die maximale Kraft. Diese lässt sich dann z. B. über einen Druckminderer einstellen. Die Kraft ist also die bestimmende Größe dieser Pressen. Hydraulikpressen können über den gesamten Stößelweg eine konstante Kraft aufbringen oder sogar im Stillstand, so dass Setz- oder Aushärteprozesse unter Druck stattfinden können. Das ist auch beim Innenhochdruckumformen notwendig. Diese Pressen sind allerdings eher langsam, dafür lässt sich auch der Geschwindigkeitsverlauf sehr flexibel an die Prozesse anpassen. Hydraulikpressen sind die Allrounder und werden für alle Prozesse in einem großen Kraftspektrum eingesetzt.
Die wohl vom Wirkprinzip bekanntesten arbeitsgebundenen Umformmaschinen sind die Hämmer. Man nehme eine große, schwere Masse (hier wieder der Bär), hebe sie hoch und bringe so potentielle Energie hinein. Nun lässt man den Bär fallen, die potentielle Energie wird durch die Erdbeschleunigung in kinetische Energie umgewandelt und steht so für die Umformung zur Verfügung. Jeder Schlag hat dieselbe Energie als Arbeitsvermögen zur Verfügung. Die Umformkraft kann ich nicht einstellen, sie ergibt sich aus Querschnitt und Fließspannung des Werkstücks.
Wenn man etwas mehr Wumms oder weniger Masse benutzen will, kann man mit etwas Druckluft oder Hydraulik nachhelfen; Das nennt man dann Oberdruckhammer. Hämmer werden hauptsächlich zum Schmieden verwendet.
Oder man nimmt gleich eine Reibspindelpresse. Da wird die kinetische Energie über die Massenträgheit eines Schwungrades zur Verfügung gestellt und über eine meist dreigängige Gewindespindel in die lineare Bewegung umgewandelt. Reibspindelpressen sind etwas kleiner und leiser als Hämmer mit gleichem Arbeitsvermögen. Sie werden zum Schmieden, Kalt-Gesenkformen oder Vollprägen genutzt. Wer mal eine Drei-Scheiben-Reibspindelpresse in Aktion erleben möchte, findet bei einem einschlägigen Videoportal die Vorstellung unserer Maschine, die ein Student gedreht hat. Den Link gibt es in den Shownotes unter fertigungstechnisch.hamburg
Last but not least gibt es noch die weggebundenen Pressen. Die wichtigen Typen sind die Exzenter- und Kurbelpressen sowie die Kniehebelpressen. Letztere brauchen irgendwann eine eigene Episode.
Stark vereinfacht ist der Aufbau wie folgt: Ein Motor treibt eine große Scheibe an. Kurz vor dem Rand ist ein Bolzen auf die Fläche geschweißt. Von diesem Bolzen führt jetzt eine Pleuelstange zum Stößel. Damit bewegt sich der Stößel jetzt annähernd cosinusförmig mit jeder Umdrehung einmal abwärts und wieder aufwärts. Muss ich noch weiter erklären, wo die Bezeichnung „weggebunden“ herkommt? Diese Bewegungsart kennt man auch aus Verbrennermotoren und von Dampflokomotiven und nennt sich Schubkurbelgetriebe.
Natürlich ist der Hub, wenn die Presse steht, ggf. auch verstellbar. Und es gibt noch ausgeklügelte Systeme aus Bremsen, Kupplungen, Schwungrädern und Überlastsicherungen, dazu aber ein andermal.
Diese Pressen sind sehr schnell bzw. haben hohe Hubzahlen (Stößelhübe pro Minute). Kleine Exzenterpressen eignen sich gut um Dinge in hoher Stückzahl auszustanzen. Große Kniehebelpressen finden sich in allen Presswerken, um in Werkzeugen aller Größe von der Cremedose bis zur Motorhaube Blechteile und auch massivumgeformte Bauteile herzustellen.
Und so ist es die Aufgabe von Produktionsingenieur:innen aus diesem Baukasten von Gestellformen, Antriebsarten und Größen die richtige Maschine für den gewünschten Prozess auszuwählen.
Ach und übrigens: Wer glaubt, dass unsere Pressestelle Pressen stellt,
glaubt auch, dass in unseren Umformmaschinen große Raubtiere verbaut werden.
geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers