048-Fertigungstechnik
Die Episode
Transkript
Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik.
Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dies ist nun schon die 48. Episode eines Podcasts, der nach der Fertigungstechnik benannt ist, aber es hat noch niemand erklärt, was die Fertigungstechnik eigentlich ist und macht. Hier also meine 50 Cent.
Fragen wir doch mal die Literatur: Ich hole mir ein Buch namens „Fertigungstechnik“, herausgegeben von Alfred Herbert Fritz, aus dem digitalen Regal. Das Buch ist ein Standardwerk und hieß früher einfach „der Fritz-Schulze“. Es gibt aber auch noch andere wie den König-Klocke oder den Spur oder oder oder.
Zitat: „Die Aufgabe der Fertigungstechnik besteht in der wirtschaftlichen Herstellung eines durch eine Zeichnung oder einen anderen Informationsträger vorgegebenen Werkstücks.“
Das ist eine recht moderne Definition und ich bin jetzt mal so frei, das Herstellen eines Faustkeils aus Quarzit mit einzuschließen, auch wenn vor 2 Millionen Jahren die Zeichnung noch gefehlt haben dürfte und die Wirtschaftlichkeit sich vielleicht darauf beschränkte, dass er fertig war, bevor man gefressen wurde.
Daran merkt man, dass die Fertigungstechnik eine sehr, sehr alte Profession ist. Wir Fertigungstechniker:innen hatten viel Zeit, das Thema weiterzuentwickeln.
Zurück in die Gegenwart:
Es kommt also ein Kunde zu mir und möchte ein Werkstück haben, um damit irgendetwas zu tun: Ein Schraubenschlüssel, um Sechskantschrauben mit Schlüsselweite 13mm, das wäre M8, festzuziehen. Der Kunde kann ich selbst sein, weil ich gerade ein entsprechendes Werkzeug benötige, eine andere Abteilung meines Betriebs oder eine beliebige externe Person. Freundlicherweise bringt der Kunde auch einen Informationsträger mit: Eine Zeichnung, ein CAD-Modell oder ähnliches. Leider bringt der Kunde auch einen Terminwunsch mit, denn er muss das Ding in zwei Wochen haben.
Nun ist es an mir, diesen Schraubenschlüssel wirtschaftlich herzustellen. Ich möchte nicht zu sehr in Industriebetriebslehre und Kostenrechnung abrutschen, aber am Ende sollten die Herstellkosten gedeckt sein und ich habe noch Marmelade auf meinem Brot.
Es gibt hier jetzt also einen Zielkonflikt:
Man steckt in einem Dreieck aus Qualität, Kosten und Zeit!
Und jede Entscheidung, die ich auf dem Weg zur Herstellung treffe, bewegt mich in diesem Dreieck in bestimmte Richtungen:
- Möchte ich schneller fertig sein, kann ich zum Beispiel schlampiger arbeiten, das geht dann aber auf Kosten der Qualität. Ich könnte auch eine schnellere Maschine kaufen, dann steigen meine Kosten.
- Möchte oder muss ich sehr genau arbeiten, dauert das länger, was wieder den Termin nach hinten schiebt und mehr Arbeitsstunden kostet, oder ich brauche die bessere und damit teurere Maschine.
- Will oder muss ich günstig bzw. billig anbieten, leidet üblicherweise auch die Qualität und ich kann nicht so viel teure Arbeitskraft investieren.
Diese Punkte entscheiden dann ggf. darüber, welche Fertigungsverfahren und Werkstoffe ich zur Herstellung des Werkstücks verwenden kann. Es gibt schon Unterschiede zwischen dem Werbekugelschreiber und dem Hochleistungsschreibgerät.
Analog zu den 6R der Logistik können wir also formulieren, dass die Fertigungstechnik das Werkstück zum richtigen Zeitpunkt in ausreichender Qualität zum angemessenen Preis liefern muss.
Daraus leitet sich wie so oft einer meiner Lieblingsgrundsätze des Ingenieurswesens ab: So genau wie nötig, so ungenau wie möglich! Oder allgemeiner: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Dann benennen wir mal einige der Anforderungen an die Fertigungstechnik:
- Ausreichende Qualität: Die notwendige Qualität wird üblicherweise von der Funktion der Werkstücks vorgegeben. Wenn in unserem Beispiel der Schraubenschlüssel bei der Arbeit verbiegt oder abbricht oder die Gabelflächen nicht über die Schlüsselweite der Schraube passen, dann wird die Kundin nicht zufrieden sein. Und natürlich könnte es auch sein, dass der Kunde den Schlüssel gerne in hochglanzpoliert und vergoldet haben möchte, das soll er oder sie dann aber bitte auch bezahlen. Um die Qualität zu definieren, gibt es in der Zeichnung z. B. Fertigungstoleranzen (dazu macht bestimmt mal jemand eine eigene Episode) oder Werkstoffvorgaben.
- Kurze Lieferzeiten und Termintreue: Bekommt der Kunde den Schraubenschlüssel eine Woche nachdem die Schraube hätte festgezogen sein sollen, kommt er nicht wieder. Jetzt könnte ich mir fertige Schraubenschlüssel ins Lager legen, das kostet aber wieder Geld. Und bei Sonderwünschen wäre ich dann ggf. unflexibel. Ich muss also meine Prozesse im Griff haben und meine Kund:innen kennen.
- Hohe Mengenleistung und geringe Kosten: Natürlich kann ich eine Schraube mit einer konventionellen Drehmaschine aus einer Stange herausarbeiten, da brauche ich aber recht lange, wenn ich tausende herstellen muss. Dann hilft mir wieder der bunte Strauß aus Fertigungsverfahren in der DIN8580. Die Großserie braucht andere Verfahren als das Einzelteil. Denn für die eine Custom-Motorhaube möchte ich vielleicht kein Umformwerkzeug für 300.000€ herstellen, beim Serienauto sieht das schon ganz anders aus.
- Immer wichtiger werden heute die ressourcenschonende und die energieeffiziente Fertigung, die Klimakrise zeigt es uns deutlich. Verfahren mit hoher Werkstoffausnutzung werden da benötigt und Maschinen, die verlustarm produzieren können. Dafür gibt es die fertigungstechnische Forschung, die dann auch durch Elektrotechnik, Regelungstechnik und Informatik unterstützt wird.
- Und Bilder von billigen Arbeitskräften, die in der Umformpresse sitzen, um die Bauteile weiterzubewegen, oder Menschen, die barfuß in der Gießerei arbeiten, möchten wir nicht mehr sehen. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz haben ebenso Einfluss auf die Herstellung von Werkstücken.
So könnte es sich letztlich ergeben, dass nach dem Hochofen und dem Stahlguss, das Material erst zu einem dicken Blech gewalzt, abgeschert und in Form geschmiedet wird. Danach werden die Beschriftung geprägt, die Schmiedegrate durch Schleifen entfernt, die Maulöffnungen geräumt und die Backen von oben und unten plangeschliffen. Zusätzlich erfolgen noch Wärmebehandlungen und Beschichtungsschritte. Fertig.
Ich hoffe, dass ich die Fertigungstechnik für Euch ein wenig klarer definieren konnte.
Ach und übrigens: Nennt eine Drehmaschine bitte niemals Drehbank, das mögen Meisterin und Meister nicht so gerne.
geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers