060-Protokoll

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Dokumentation. Denn Doku muss sein, auch wenn das niemand hören will. Wenn Studierende mich fragen, behaupte ich grob pauschalisierend, dass der Ingenieur:innenberuf aus einem Drittel Präsentation, einem Drittel Dokumentation und dann noch einem Drittel dem eigentlichen ingenieurigen Arbeiten (denken, kreativ sein, Zeichnen, skizzieren, rechnen) besteht.

Jedes Verkaufs-, Beratungs- oder Bewerbungsgespräch ist eine Präsentation. Jedes Angebot, jeder Magazinartikel, jede Bedienungsanleitung und eigentlich auch jede Zeichnung, jede aufgeschriebene Berechnung und jeder Messreport sind Dokumentation.
Ingenieur:innen müssen in der Lage sein, ihr Fachgebiet auf verschiedenste Weise nachvollziehbar vermitteln zu können; und zwar dem oder der Werker:in, Kund:in oder Chef:in. Manchmal präsentiert man es sogar Schülerinnen und Schülern oder einfach Menschen, beim Tag der offenen Tür.
In Wissenschaft und Technik haben sich dabei ein paar Formate herausgebildet, die verschiedene formale Rahmenbedingungen bieten.
 

Langer Rede kurzer Sinn: Wir versuchen unseren Studierenden dies zu vermitteln, indem wir sie dazu bringen, Laborprotokolle zu schreiben, die eine ähnliche Struktur und Sprache verwenden. In erster Linie sollen Sie eine Übung für die irgendwann drohende Bachelorthesis sein, langfristig eben für weitere schriftliche Dokumentation im Berufsleben.

Das Schöne an der Sache ist, dass wir Lehrende die Protokolle dann auch lesen, kommentieren und unsere Verbesserungsvorschläge den Studierenden dann auch erläutern dürfen. Denn mit dem Verständnis warum etwas in anderer Form vielleicht besser ist, kommt hoffentlich die Einsicht, es beim nächsten Mal auch besser zu machen.

Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme bin ich seit über 17 Jahren in diesem Beruf als WiMi tätig. Anders ausgedrückt sind das gerade 35 Semester oder (vorsichtig gerechnet) über 1000 durchgesehene Protokolle.
Die Protokolle haben durchaus unterschiedliche Qualität, aber es ist schließlich noch kein Master vom Himmel gefallen.

Und in diesen vielen Protokollen gibt es immer auch mal kleine Perlen, die uns zum Schmunzeln bringen. Das kommt einfach vor. In 17 Jahren hatte zum Beispiel die Autokorrektur sehr unterschiedlich verheerende Wirkung auf die Rechtschreibung. Und es kommt leider durchaus auch vor, dass Protokolle mitten in der Nacht nach einem langen Tag mit Laboren, Übungen und Vorlesungen an der HAW geschrieben werden. Bei über 1000 Protokollen darf es ab und an auch mal einen Satz zum Schmunzeln geben; Das sorgt bei der Korrektur für gelöstere Stimmung.

Und ein paar dieser Stilblüten möchten wir gerne zum Jahresende mit Euch teilen.

Zu Beginn des Protokolls muss man erstmal beschreiben, worum es geht:

             Dieser Versuch erleuchtete drei unterschiedliche Methoden einen Winkel zu messen, [..].

Und was man so tut:

             Berechnung der Raubtiere [..].

Schauen wir mal auf die unterschiedlichen Versuche. Beim Kaltmassivumformen an der Reibspindelpresse

             Es gibt keine zugeführte Wärme, um den Stoff fügsamer zu machen.

Dazu muss man die Maschine und die Messtechnik verstehen,

             [..] damit die Kraft beim Aufstoßen der Presse aufgenommen werden kann.

Prost.

Dann geht es zur Versuchsvorbereitung:

             Folgende Werte werden vor dem Umformen gemessen: Anfangshöhe, Anfangsdurchmesser, Höhe nach dem Pressen.

Zur Versuchsdurchführung

             Im Anschluss daran wird das Kraft-Weg-Diagramm ausgedrückt und mit dem Planimeter Flächeninhalt bestimmt.

Das Planimeter ist ein Flächenmessgerät, das wie folgt funktioniert:

Mit dem Fadenkreuz umfährt man die zu messende Fläche und das Messgerät vollbringt dann ein Hexenwerk und gibt den Flächeninhalt in
Quadratdezimetern zurück.

Wenn bei der Auswertung merkwürdige Werte herauskommen, dann kann man schon mal das Ergebnis interpretieren

             Verschleiß ist ja schließlich nicht rückläufig und führt womöglich noch zur Verbesserung der Maschine.

Und will man die Drehzahl der Antriebsscheiben der Reibspindelpresse bestimmen, dann benutzt man vielleicht ein Stroboskop folgendermaßen:

             Bewegt sich das Licht vorwärts im Kreis, muss schneller geblitzt werden.

Auch die Funktionsweise der Hydraulikpresse will beschrieben werden:

             Die Rücklaufbewegung ergibt nicht so einen hohen Wert, da der Stempel nicht hoch fallen kann.

Die Formel für die Stempelkraft beim Fließpressen ist etwas komplizierter, da kann man bei der Herleitung schon mal ungeduldig werden.

             Die Formel ist aber längst noch nicht fertig.

Wenn man dann noch die Fließkurve annähern will

             Da bei der Bestimmung der Kriechspannungsfunktion "hässliche" Werte entstanden, wurden diese logarithmiert.

In diesem Rahmen benötigt man noch den Umformgrad

             φB – Umformgrad der Bodenstauchigkeit

Beim Fließpressen ist der Umformwirkungsgrad relativ schlecht. Da muss man etwas gegen tun.

             Um die Reibung etwas zu vermeiden wurde Sie vor dem Einlegen in die Presse noch etwas eingefettet.

Auch bei der Blechumformung kann man gut um den heißen Brei herumreden.

             Das [..] Blechteil [..] besteht aus mehreren Löchern, einer Tasche in der Mitte und einem abgerundeten Rand.

Abseits von meinen Umformmaschinen haben wir auch eine Funkenerosionsanlage. Dabei wird berührungslos über viele kleine Funkenentladungen Material abgetragen. Und durch kleine Buchstabendreher, wird der gepresste Kohlenstoff dann auch mal umgeformt.

             funkenerosives Senken mit Kupfer- oder Granitblöcken als Elektroden.

Und durch weitere Buchstabenverwechslungen wird es noch teurer. Grüße ans DESY in Bahrenfeld

             Nachteile sind allerdings [..] hohe Fertigungskosten beim Bau der Elektronen [..].

In der Versuchsvorbereitung muss man sorgfältig sein.

             Zunächst werden die Elektrode und das Werkstück mit einem Tuch gereinigt und von Gräten befreit.

Wenn der Prozess dann läuft, verdampfen Petroleum und Metalle.

             Die entstehenden Dämpfe werden durch eine Absaugung ungefährlich.

Und wenn das Protokoll zum Funkenerodieren fertig und korrigiert ist, möchten die Studierenden es dann auch abholen.

             Ich möchte gerne das Protokoll von der Lichtschweißanlage abholen, das wo die Löcher gestanzt werden.

Zu guter Letzt haben wir noch einen himmlischen Versuch beim Rapid Prototyping

             Das benutzte Firmament ist ein harter Kunststoff, der in sehr feinen Ebenen übereinander geschichtet wurde.

Ich möchte mich bei allen Studierenden bedanken, die sich Mühe bei der Erstellung der Protokolle geben und aufmerksam unser Feedback aufnehmen. Unsere Studierenden sind die besten der Welt. Und ich möchte mich bei allen Personen bedanken, die mich bei der Vertonung der Textschnipsel unterstützt haben.

Und für alle, die den Podcast zeitnah hören: Ich wünsche Euch ein angenehmes Jahresende und ein gutes Jahr 2024.

Ach und übrigens: Seit 17 Jahren nehme ich mir vor, mal selbst ein richtig gutes Protokoll zu jedem meiner Versuche zu schreiben. Und jedes Mal fällt mir ein, dass ich gerade etwas wichtigeres zu tun habe. Protokolle schreiben ist nämlich…

Bei den Podcastaufnahmen passieren übrigens nie Fehler…

geschrieben von Benjamin Remmers und Student:innen
eingesprochen von Benjamin Remmers, Kolleg:innen und Erik