063-Feilen

Die Episode

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik, und diesmal echt manuelle.

Dieser alte Mann erinnert sich mal an seine Ausbildung zurück: Da in meiner Ausbildungsfirma kaum Stahl verarbeitet wurde, bekam ich gebuchte Grundlehrgänge bei der Innung: Grundlehrgang Metall 1 und 2. Teil 1 umfasste das Sägen, Bohren, Feilen, etwas Biegen und Treiben. In Teil 2 wurden uns dann das Drehen und Fräsen nähergebracht. Dumm nur, wenn man im Betrieb vorher schon an die Maschinen durfte.

Da steht also der Stift, der nach dem allgemeinbildenden Abitur keine Ahnung von Metallbearbeitung hat, in der Lehrwerkstatt und darf von einem langen U-Profil erst einmal ein passende Stück mit der Bügelsäge absägen. Dann bekam ich einen Haarwinkel, Stahllineal und Anreißnadel sowie einen Satz Feilen in die Hand und los ging es: Alle Außenseiten auf Maß, eben und winklig feilen. Und weil es so schön ist, durfte man die Schenkel, nachdem man das erste Ergebnis fertig hatte, gleich nochmal auf ein kürzeres Maß bringen. Natürlich ebenfalls wieder fein eben und winklig. Am Ende kam der übliche Halter für eine Bügelmessschraube als Werkstück heraus.

Ich möchte heute also über das Verfahren sprechen, das so viele Auszubildende hassen aber am Ende vielleicht auch lieben gelernt haben.

Also beginne ich mal wieder in meiner Lieblingsnorm, der DIN 8580:

Das Feilen gehört in die Hauptgruppe Trennen und dort in die Gruppe der Zerspanung mit geometrisch bestimmter Schneide. Die Untergruppe heißt dann Feilen/Raspeln und wird noch nach der zu erzeugenden Oberfläche unterteilt.

Planfeilen ist es, wenn eine ebene Fläche erzeugt werden soll. Rundfeilen: ratet mal.

Profilfeilen ist es, wenn sich die Form der Feile im Werkstück abbildet, das könnte zum Beispiel beim Nachfeilen einer Verzahnung mit einer Dreikantfeile der Fall sein. Formfeilen betreibt man, wenn man mit der Feile eine beliebige Form wie z. B. eine ballige oder konkave Fläche erzeugen will.

Eine Feile ist also ein Handwerkzeug zur Bearbeitung von Werkstücken. Das meist längliche Werkzeug ist auf mindestens einer Fläche mit einer Anzahl von Zähnen, also Schneiden, besetzt, die eine Schnittbewegung in einer Richtung vorsehen.

Historisch gesehen gab es mal den Ausbildungsberuf des Feilenhauers. Die erste Erwähnung laut Wikipedia ist von 1387 aus Frankfurt am Main. Der Rohling für die Feile wurde zunächst geschmiedet, langsam abgekühlt und geschliffen. Dann kam der Einsatz des Feilenhauers. Mit einem Meißel wurden in feinen, gleichmäßigen Abständen die Zähne in das Feilenblatt gehauen, jeder Hieb ein Zahn. Das brauchen wir später noch. Je besser der Handwerker, desto gleichmäßiger die Abstände und die Tiefe der Zähne. Für die Bearbeitung von weichen Werkstoffen sind solche Einhiebfeilen schon geeignet. Für Eisenwerkstoffe werden gerne sogenannte Doppelhiebfeilen verwendet. Bei diesen folgt auf den Unterhieb unter einem anderen Winkel der Ober- oder Kreuzhieb. Durch diese Bearbeitung entstehen kleinere Zähne, die zueinander versetzt stehen.

Nach dieser Bearbeitung wird die Feile noch gehärtet und mit Öl gegen Korrosion geschützt.

Solche gehauenen Feilen haben einen negativen Spanwinkel und arbeiten daher eher schabend. Sie sind gut für harte Werkstoffe geeignet. Hört Euch zu den Winkeln am Schneidkeil gerne noch einmal die Episode von Prof. Müller an.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden dann die Automaten zum Hauen der Feilen wirtschaftlich genug, dass dieser Beruf zum Ende des 20. Jahrhunderts langsam aber sicher ausstarb.

Heutzutage gibt es auch Feilen mit gefrästen Zähnen, die dann einen positiven Spanwinkel haben, den Werkstoff schneiden und eher für weiche Werkstoffe geeignet sind.

So eine fertige Feile besteht dann aus dem Feilenblatt, also dem Teil, wo die Zähne drauf sind, und der Angel, das ist der spitz zulaufende Teil, der dann im Heft (dem Griff aus Holz oder Kunststoff) steckt. Es gibt auch andere Formen, die ich hier und heute aber auslasse.

Die Feilen werden für die verschiedenen Bearbeitungsarten (ihr erinnert euch an den Anfang der Folge) mit verschiedenen Querschnitten hergestellt.

Bisher habe ich immer die Flachfeile beschrieben. Der Querschnitt ist flach rechteckig, beide Seiten habe Zähne. Häufig genutzte andere Formen sind die Rund-, Halbrund- und Dreikantfeile. Es gibt noch etliche mehr.

Besonders kleine Feilen heißen auch Schlüsselfeilen.

Dann gibt es noch eine Unterscheidung danach, wie viele Zähne auf der Feile verteilt sind. Die Angabe, die meist in der Nähe der Angel auf dem Heft eingeschlagen zu lesen ist, nennt sich Hieb oder Hiebnummer. Dabei gilt: Je höher die Hiebnummer, desto mehr Zähne pro Zentimeter. Ganz pauschal: Hieb 1 – Schruppfeile, Hieb 3 – Schlichtfeile. Leider ist die Benennung hier je nach Quelle etwas unterschiedlich. Dabei ist die tatsächliche Hiebzahl auch noch von der Länge der Feile abhängig. Lange Feilen haben eine gröbere Teilung als kurze.

Ich kann mir jetzt also auf meinem Rohteil z. B. das zu erreichende Maß anreißen und es im Schraubstock einspannen. Ihr solltet beachten, dass Feilen häufig ganz leicht gebogen sind. Beim Planfeilen wollt ihr, dass die konvexe Seite zum Werkstück zeigt. Dies gleicht Ungenauigkeiten bei der Feilenführung aus und sorgt dafür, dass ihr überhaupt die Mitte der zu bearbeiteten Fläche erreichen könnt. Schaut also mal über die schmale Seite der Feile, dann seht ihr, was ich meine. Dann halte ich die Feile mit einer Hand am Heft, lege die Feile auf die zu bearbeitende Fläche und die andere Hand lege ich auf die Feilenspitze vorne am Blatt. Ich nehme einen stabilen Stand ein und stehe so, dass Feile, Hand und Unterarm eine gerade Linie bilden. Ich drücke die Feile mit beiden Händen leicht auf das Werkstück, schiebe die Feile mit der Hand am Heft und führe sie mit der Hand an der Spitze. Jetzt ist im wahrsten Sinne des Wortes Fingerspitzengefühl gefragt, damit der Druck in jeder Feilenposition gleichmäßig ist. Da hilft nur üben, üben, üben. Apropos üben: Beim Zurückziehen der Feile übe ich keinen Druck auf sie aus, sonst werden die Zähne schnell stumpf.

Und was kann ich mit einer Feile nun anstellen? Eigentlich fast alles. Es gibt kaum ein Werkstück, dass ich mit einer Säge, einem Bohrer und einer Feile nicht herstellen könnte. Ich behaupte nicht, dass das effizient ist oder Spaß macht, aber möglich wäre es schon. Ihr seid in Hintertupfingen und mit einem angeditschten Gewinde konfrontiert? Dann hilft eine Feile, wenn ihr gerade nicht das passende Windeisen dabei habt. Ihr habt schlecht gebohrt? Kleine Rundfeile raus und Langloch feilen. Ein Feinmechaniker feilt euch auch einen 6mm Innenvierkant schräg durch eine Welle, wenn es sein muss.

Allerdings werden heutzutage viele Feilen nur noch zum langweiligen Entgraten benutzt.

Die Feile funktioniert aber selbst dann noch, wenn der Strom schon ausgefallen ist.

 

Ein paar kleine Anmerkungen zum Schluss:

Bewegt immer die Feile über das Werkstück, niemals das Werkstück über die Feile.

Wenn man besser kontrollieren möchte, ob das Material an der richtigen Stelle abgenommen wird, kann man entweder einen Kreuzstrich verwenden, also die Feilrichtung um 90° versetzen, oder die Fläche mit einem Permanentmarker einfärben. Nehmt lieber keinen schwarzen Marker, die Farbe funktioniert nicht so gut, da sie ggf. abplatzt. Blau oder grün gehen besser.

Auch diamantbesetzte Werkstattfeilen oder Nagelfeilen gelten als Feilen, auch wenn sie eigentlich geometrisch unbestimmte Schneiden haben.

Feilen werden z. B. mit Messingbürsten von Spänen gereinigt. Sehr fest sitzende Späne können mit einem Messing- oder Kupferblech quer zum Oberhieb entfernt werden.

Ach und ganz wichtig: Schnellfeilpaste gibt es nicht. Ihr müsst da leider durch, wie schon so viele Generationen vor euch.

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers

Danke an alle Personen, die mir in der Ausbildung zum Maschinenbaumechaniker etwas beigebracht haben.