064-Energieeffiziente Produk­tion

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Im heutigen Podcast möchte ich auf das Thema der energieeffizienten Produktion eingehen, ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend an Wichtigkeit gewinnt, weil die Herausforderungen des Klimawandels natürlich zu Diskussionen um den Energieverbrauch und insbesondere zum CO2-Fußabdruck von Produktion führen. Wie nachhaltig kann und muss Produktion sein? Wie kann der Energieeinsatz in der Produktion reduziert werden?

Zunächst möchte ich das Thema ein wenig abgrenzen. Es geht nicht um die vollständige Erfüllung der Nachhaltigkeitsberichterstattung eines Unternehmens. Das ist weiter zu fassen als die Betrachtung der Herstellung von Halbzeugen und Produkten. Im Fokus steht insofern für die energieeffiziente Produktion die Fabrik als Gebäude inkl. der Sozialräume und als Produktionsstätte mit ihren Werkzeugmaschinen, Fertigungsanlagen, Versorgungssystemen und der Logistik. Wichtig ist es zudem, die richtigen Kenngrößen zu definieren. Als Ingenieur*innen sind wir gewohnt, faktenbasiert zu arbeiten. Das bedeutet, dass wir nach Kenngrößen suchen, die wir bestenfalls messen und damit quantifizieren können. Wie also definiert man Nachhaltigkeit? Da könnte ein Indikator die Gestaltung von Kreislaufprozessen – Stichwort Circular Economy – sein. Viel wird über den sogenannten CO2-Fußabdruck diskutiert und damit über CO2-Äquivalente. Das halte ich persönlich manchmal für schwierig, denn es muss auf allen Ebenen der Produktion nachvollziehbar sein. Was würde es mir sagen, wenn eine Email 4 g CO2-Äquivalent bedeutet? Ist das nun viel oder wenig? Kostet es überhaupt CO2, wenn die dafür bereitgestellte Energie erneuerbar und damit „grün“ hergestellt wird. Es zeigt sich, dass diese Größe nicht so einfach zu fassen ist.

Deshalb bin ich ein großer Fan davon, Größen zu benennen, die für viele Menschen nachvollziehbar sind. Aus dem eigenen Wohnumfeld heraus haben wir häufig ein Gefühl dafür, wieviel Kilowattstunden wir zum Wohnen abrechnen oder wieviel Kubikmeter Gas – die häufig auch in Kilowattstunden dargestellt werden – wir verwenden. Ich merke mir z.B. für eine vierköpfige Familie einen Jahreswert von 3.500 – 4.000 kWh Strom – so könnte ich den Stromverbrauch in einer Produktion gut einordnen. Insofern bin ich bei der Diskussion um eine energieeffiziente Produktion dafür, Strom-, Gas- und Druckluftverbrauch in den Größen zu messen, wie sie auf den Zählern der Energieversorger ablesbar sind. So bekommen die Größen eine Relevanz und Vergleichbarkeit.

Nun gibt es noch einen Schritt, den ich persönlich gerne gehen würde. Methodisch wäre es für mich sinnvoll, die Energieverbräuche ebenso auszuwerten, wie wir das ökonomisch seit vielen Jahren behandeln. Variable und fixe Kosten, Gemeinkosten und dem Produkt direkt zuordbare Kosten sind methodisch Überlegungen, die sich ebenso auf Energieverbräuche anwenden lassen. Der Energieverbrauch der Kantine und der Sozialräume fällt in den Gemeinenergiebereich. Variable Energieverbräuche hängen von der gefertigten Stückzahl ab. Das wäre analog zur ökonomischen Berechnung eines Produktionsprozesses für viele Mitarbeitende im Unternehmen sehr einfach nachzuvollziehen. Damit ergäbe sich dann auch die Möglichkeit einer Vision, den Energieverbrauch eines Produktes beim Verkauf ebenso wie die Mehrwertsteuer auf die Rechnung zu schreiben. Und der Käufer hätte die Möglichkeit, direkt einen Vergleich anzustellen. Wobei zugegebenermaßen der Energieverbrauch noch nichts über die Art der Erzeugung aussagt. Da hilft aber dann die Darstellung einer Unternehmenspolicy, beispielsweise nur grünen Strom zu kaufen, oder die Festlegung, als Basis den Energiemix in unserem Land zu Grunde zu legen.

Somit hätten wir die Möglichkeit, Energieverbräuche in der Fabrik zu analysieren und darzustellen. Wie aber werden wir nun „energieeffizienter“? Der erste Schritt ist noch einfach – die quick wins liegen in den Gemeinenergieverbräuchen der Beleuchtung, der Heizung und all den Energieverbrauchern, die wir aus dem eigenen Haushalt kennen. Hier sind schon erhebliche Einsparungen möglich, ohne dass die Qualität der Produktion zur Disposition steht.

Der nächste Schritt führt zur Betrachtung einer Prozesskette für ein einzelnes Produkt. Wie ist der Energieverbrauch für jeden einzelnen Prozessschritt? Wenn diese Daten vorliegen, lohnt es sich zunächst auf Prozessschritte zu schauen, die vielleicht Abwärme erzeugen, die an anderer Stelle als „Fernwärme“ oder zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Dann stellt sich auch die Frage, ob Prozessschritte weggelassen werden können – das ist durchaus eine alte Diskussion aus dem Lean Management. Die Durchführung eines Value Stream Mapping des Prozesses hilft, neue effizientere Prozesse zu kreieren. Wegezeiten, Logistikwege bedeuten auch immer Energieverbrauch – vielleicht lassen sich auch diese reduzieren.

Final geht es dann an die Analyse einzelner Prozessschritte in der Fertigung – der Drehprozess, das Bohren, das Tiefziehen oder Fließpressen. Hier gilt nun, dass natürlich die Qualität des Bauteils (ohne vorherige Diskussion mit der Konstruktion oder dem Design) nicht zur Disposition stehen darf. Es gilt auf dieser Grundlage: Kenne deinen Prozess – kenne deine Maschine – kenne deine Messung. Erst mit dieser Expertise wird es richtig gut. Denn nur bei richtiger Kenntnis des Prozesses – wieviel Energie ist notwendig? – bei gutem Wissen über die Werkzeugmaschine – wo im Prozess entstehen Verluste? Wie ist der Wirkungsgrad? – und mit klarem Know-How der Messtechnik – mit welcher Frequenz messen wir? Welche Phasen des Drehstroms wurden gemessen? – erst dann haben wir die Chance für eine gute Prozessanalyse und die Möglichkeit, Maßnahmen für eine Optimierung zu definieren. Wir haben dieses im Lernort Digitale Umformtechnik in mehreren studentischen Arbeiten durchgeführt und kennen unsere Reibradspindelpresse und die Hydraulikpressen jetzt immer besser. Wir wissen nun, ab welcher zeitlichen Pause zwischen zwei Bauteilen es sich lohnt, die Werkzeugmaschine abzuschalten, weil das Anfahren jetzt weniger Energie kostet als sie weiterlaufen zu lassen.

Schlussendlich kann diese Analyse genutzt werden, um in der Neuauslegung von Produktionsprozessen den Vergleich unterschiedlicher Prozesse und Fertigungsverfahren energetisch und ökonomisch durchzuführen.

Fun fact zum Schluss: häufig gewinnen bei diesen Vergleichen übrigens die vermeintlich energieintensiven Verfahren bspw. der Umformtechnik. Klar braucht es viel Energie, aber die höhere Produktivität führt zu kleineren Verbräuchen pro Werkstück.

 

geschrieben von Prof. Stöver
eingesprochen von Prof. Stöver