015-Walzverfahren

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Transkript

Es ist mal wieder Zeit für ein wenig Fertigungstechnik.

Und damit auch mal wieder Zeit für mein „Lieblingsnorm“! Na? Natürlich die DIN8580. Wobei sie diesmal wirklich nur den Eingang des Kaninchenbaus darstellt.

Den Eingangsbereich stellen die 6 Hauptgruppen. Wir nehmen diesmal die zweite Tür links und biegen ab in die Gruppe „Umformen“. No pun intended. Die erste Tür ist dann gleich das Druckumformen und darin das erste Zimmer das Walzen. Also immer hinein in die gute Stube.

Für das Walzen ist die DIN 8583 – Teil 2 zuständig. Da finden wir dann auch die erste Definition: Walzen ist (ich zitiere) stetiges oder schrittweises Druckumformen mit einem oder mehreren sich drehenden Werkzeugen (den Walzen), ohne oder mit Zusatzwerkzeugen. Zu denen komme ich eventuell später noch.

In erster Näherung sind mit Walzen (häufig recht große und massive) Zylinder, die sich drehen, gemeint. Die Dampfwalze auf der Straße und das Nudelholz sind zwar tatsächlich von der bildlichen Vorstellung her naheliegend, die Wirkmechanismen sind allerdings komplett anders. Die Heißmangel, die einige ältere Personen noch kennen könnten, ähnelt vom Aufbau her einem Walzwerk, formt die Tischdecke aber hoffentlich nicht plastisch um.

Nehmen wir mal ein einfaches Beispiel: Es soll aus einem quaderförmigen Klotz ein Stab mit rechteckigem Querschnitt und einer gewissen, großen Länge hergestellt werden. Wir haben dazu zwei polierte Walzen aus hochfestem Stahl, deren Drehachsen horizontal (also liegend) angeordnet sind. Sie drehen sich gegenläufig, damit das Walzgut hindurchtransportiert wird und haben einen Abstand voneinander, der etwas kleiner ist, als die Höhe des Klotzes. Wenn jetzt die Einzugsbedingung erfüllt ist, ziehen die Walzen das Rohteil in den Spalt hinein, wo durch die Reibung und die Druckkräfte das Walzgut flacher gedrückt und in die Länge gezogen wird. Die Breite ändert sich dabei theoretisch nicht. Da beim Umformen die Volumenkonstanz gilt, muss sich zwischen den Rollen die Geschwindigkeit ändern. Diese ganzen Effekte und Berechnungen beschreibe ich dann demnächst in einer weiteren Folge.

Also nochmal kurz: Zwischen zwei oder mehr angetriebenen Rollen wird etwas zusammengedrückt und langgezogen und dabei ändert sich die Form. Eine Richtung wird meist kleiner, eine andere dafür größer.

Die Walzverfahren lassen sich noch weiter unterteilen, praktischerweise sehr systematisch. Ich beginne ausnahmsweise mal von unten:

  • Ein Ordnungskriterium ist die Form des Rohteils, es kann ein Vollkörper wie z. B. ein Quader oder Zylinder sein oder aber ein Hohlkörper wie z. B. ein Rohr.
  • Ein weiteres Ordnungskriterium ist die Form der Walzen. Ist die mit dem Werkstück in Berührung stehende Walzenfläche eine Zylinder- oder Kegelmantelfläche, so spricht man von Flachwalzen. Weicht die Fläche von diesen Formen ab, z. B. mit Formrillen, so spricht man vom Profilwalzen.

Diese beiden Anwendungen finden sich kombiniert unter allen der drei folgenden Verfahrensvarianten. Beispiele folgen dann später.

Das Walzverfahren, das ich eben schon beschrieben hatte, nennt man Längswalzen. Das Walzgut bewegt sich ohne eine eigene Drehbewegung durch zwei oder mehr Walzen und zwar orthogonal zu deren Drehachsen.

Die zweite Variante nennt sich folgerichtig „Querwalzen“. Zitat: „Walzen bei dem das Walzgut ohne Bewegung in Achsrichtung um die eigene Achse gedreht wird.“ Hierbei könnte sich z. B. ein Zylinder zwischen zwei gleichsinnig drehenden Walzen rotieren oder ein Ring wird zwischen zwei gegensinnig rotierenden Walzen umgeformt und dabei um seinen Mittelpunkt gedreht.

Letztendlich bleibt noch das Schrägwalzen übrig. Die Walzenachsen stehen dabei windschief zueinander, wodurch das Walzgut sich nicht nur um seine Achse dreht, sondern auch entlang dieser Achse vorwärts getrieben wird.

 

Dann baue ich mal etwas zusammen:

Mit der Ordnungsnummer 2.1.1.1.1.1 hätten wir die Verfahren des Flach-Längswalzens von Vollkörpern. Das Profil-Schrägwalzen von Hohlkörpern bekommt die Nummer 2.1.1.3.2.2.

Zu abstrakt?

Dann hole ich mal ein paar Musterteile hervor:

Wenn ich zum Beispiel ein Vierkantrohr herstellen möchte, ohne vier lange, schmale Bleche zusammenzuschweißen.

Dann könnte ich mir ein rundes Rohr als Rohteil nehmen und es durch vier Walzen schicken. Zwei davon liegen quer, wie schon oben beschrieben und sind so breit, wie das Vierkantrohr breit sein soll. Dazu nehme ich noch zwei Walzen, deren Achsen senkrecht stehen. Diese sind so hoch, wie der Rohrquerschnitt hoch sein soll. Gucke ich von vorne auf dieses Walzgerüst, bleibt also eine rechteckige Öffnung mit den Außenmaßen des fertigen Rohres. Schicke ich das runde Halbzeug da hinein, werden die Seiten geradegedrückt und in die Ecken hineingeformt. Voila, ein Rechteckrohr.

Einen halbrunden oder ovalen Querschnitt für einen Ring beim Goldschmied würde man zwischen Profilwalzen herstellen. Die korrekte Einsortierung wäre hier das Profil-Längswalzen von Vollkörpern.

Das Reckwalzen ist eine sehr besondere Form dieser Unter-Untergruppe und bekommt irgendwann eine eigene Folge.

Wo wir schon bei Ringen sind: Wenn ich den Durchmesser oder den Querschnitt eines Rings verändern möchte, dann greife ich zum Ringwalzen aus der Gruppe Flach-Querwalzen von Hohlkörpern.

Das Gewinde von Schrauben oder noch eher an den Enden von längeren Stangen wird gerne mit dem Gewindewalzen im Einstechverfahren aus der Gruppe Profil-Querwalzen von Vollkörpern hergestellt. Für ganze Gewindestangen nimmt man eher das Gewindewalzen im Durchlaufverfahren aus der Gruppe Profil-Schrägwalzen von Vollkörpern, das auch Gewinderollen genannt wird.

Ich denke, dass das für heute reichen müsste. Wie gesagt, eine Folge zu Berechnungen beim Walzen folgt noch in diesem Sommer.

Ach, und übrigens: Die Lehre an der HAW Hamburg orientiert sich derzeit unter anderem am Constructive Alignment.  Das bedeutet, dass die Lernziele, die Lehr-Lernformate und die Überprüfung des Lernerfolgs aufeinander ab

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers