Radnabenatriebe

Durch den Einsatz von elektrischen Maschinen ergeben sich gegenüber dem klassischen Fahrzeug zusätzliche Freiheitsgrade in der Anordnung des Antriebsstranges. Waren Zentralmotoren vorher üblich und aufgrund des Verbrennungsprozesses praktikabel, kann nun mit verteilten Antrieben gearbeitet werden. Die Verwendung von Elektromotoren ermöglicht daher neue Antriebskonzepte und Bauraumauslegungen. Aufgrund der Bauraumanforderungen in Leichtfahrzeugen bieten verteilte elektrische Antriebe eine hohes Potenzial für größere Fahrgastzellen und minimale Fahrzeuglängen.

Daher stehen im Vordergrund des Forschungsprojektes Mikromobilität  Radnabenantriebe und radnahe Antriebe. Im Vergleich zu Fahrzeugen mit Zentralmotor weisen verteilte Antriebe einen geringen Bauteilaufwand auf. Der große Vorteil dieser Antriebskonzepte ist der Verzicht auf mechanische Antriebsstränge, Schalt- und Verteilergetriebe sowie Reibkupplungen, was im Vergleich Gewicht einspart. Die Erzeugung, Übertragung und Abgabe des Drehmoments erfolgt in einem sehr begrenzten Bauraum. Radnabenantriebe sind daher universell einsetzbar und erlauben eine von den Antrieben weitgehend losgelöste Konstruktion des Fahrzeugs. Durch die Verteilung der Motoren weist das Fahrzeug auch ein verteiltes Gewicht und verteilte Verluste auf. Gewicht und Verluste sind nicht auf einen Punkt fokussiert, das hinsichtlich Bremsvorgängen, Fahrdynamik und Stromwärmeabfuhr relevant ist. Darüber hinaus können elektrische Maschinen in einem weiten Drehzahlbereich betrieben werden. Je nach Applikation werden somit Getriebestufen reduziert oder das Getriebe entfällt.

Die Eigenschaften der Axialflussmaschine lassen sich hier äußerst vorteilhaft einbringen. In Bezug auf den benötigten Bauraum eignet sich die Axialflussmaschine besonders durch ihre kurze axiale Länge bei gleichzeitig großen Durchmesser, womit sie besser für den Bauraum in einer Radnabe geeignet ist als längliche Radialflussmaschinen. Axialflussmaschinen können im Vergleich zu ähnlich dimensionierten Radialflussmaschinen mit ebenso hohen oder höheren Drehmomenten betrieben werden. Erste Prototypen, welche mit Hinblick auf eine Anwendung im Bereich Mikromobilität entwickelt wurden, zeigen die Möglichkeit, Axialflussmaschinen als Radnabenantrieb einzusetzen, ohne in verfügbarem Bauraum und gewünschter Leistung eingeschränkt zu sein [1][2]. Jedoch beschäftigen sich nur vereinzelte wissenschaftliche Artikel aus jüngerer Vergangenheit mit dem Einsatz von Axialflussmaschinen als Radnabenantrieb [3][4][5]. Die Anwendung als Radnabenantrieb wird im Projekt bei der Auslegung der Axialflussmaschine von vornherein berücksichtigt.

Verteilte Antriebe bieten durch die separate Ansteuerung bzw. einer elektronisch gesteuerten Drehmomentenverteilung potenziell Vorteile für die Fahrdynamik sowie mehr Freiheiten im Design der Fahrassistenzsysteme [6]. Werden alle Räder eines Fahrzeuges mit Radnabenatrieben ausgestattet, was naheliegend ist, ist ein Allradantrieb vorhanden. Die Funktionsweise eines mechanischen Differentials und dessen Funktion wird im Fall verteilter Antriebe durch Regelalgorithmen abgebildet. Die meisten Fahrassistenzsysteme könnten erweitert werden, indem nicht nur die Bremskraft sondern auch das Drehmoment am jeweiligen Rad beeinflusst wird. Für Zentralmotoren lag diese Möglichkeit nicht vor, weil eine Beeinflussung des Antriebsmoments nur für alle angetriebenen Räder gleichzeitig erfolgen konnte. Zuletzt bieten Radnabenantriebe eine Bremsunterstützung und Energierückgewinnung mittel Rekuperation, wenn die elektrische Maschine generatorisch betrieben wird.

[1] Hiroki Goto, Shinya Murakami und Osamu Ichinokura. "Design to maximize torque-volume density of axial-flux SRM for in-wheel EV". In: IECON 2015 - 41st Annual Conference of the IEEE Industrial Electronics Society. Nov. 2015.
[2] Hiroki Goto. "Double Stator Axial-Flux Switched Reluctance Motor for Electric City Commuters". In: 2018 International Power Electronics Conference (IPEC-Niigata 2018 -ECCE Asia). Mai 2018, S. 3192-3196.

[3] Christopher H. T. Lee, K. T. Chau, Chunhua Liu, T. W. Ching und Fuhua Li. "A High-Torque Magnetless Axial-Flux Doubly Salient Machine for In-Wheel Direct Drive Applications". In: IEEE Transactions on Magnetics 50.11 (Nov. 2014). Conference Name: IEEE Transactions on Magnetics, S. 1-5.
[4] P. Andrada, E. Martnez, M. Torrent, B. Blanque und J. I. Perat. "Novel in-wheel axial-flux segmented switched reluctance motor". In: 2017 19th European Conference on Power Electronics and Applications (EPE'17 ECCE Europe). Sep. 2017, P.1-P.8.
[5] Tao Li, Youtong Zhang, Yuxiu Liang, Qiang Ai und Haishi Dou. "Multiphysics Analysis of an Axial-Flux In-Wheel Motor With an Amorphous Alloy Stator". In: IEEE Access 8 (2020). Conference Name: IEEE Access, S. 27414-27425.
[6] Marcel Lehr, Kersten Reis und Andreas Binder. "Comparison of axial flux and radial flux machines for the use in wheel hub drives". In: Elektrotech. Inftech. 132.1 (Feb. 2015), S. 25-32.