Gestaltung der Urbanen Mobilität von Morgen

Mit den Forschungsvorhaben „Mikromobilität“ und „Testfeld Intelligente Quartiersmobilität“ entstand an der Fakultät TI eine einzigartige department-übergreifende Kooperation und führte zur Gründung des Labors für Elektrische Mobilität.

Die Forschungsvorhaben „Mikromobilität“ und „Testfeld Intelligente Quartiersmobilität“
(TIQ) wurden Anfang 2020 ins Leben gerufen. Von Beginn an war eine enge Zusammenarbeit geplant, sodass sich beide Vorhaben gegenseitig unterstützen können. Jedoch gab es zunächst keine gemeinsamen Räumlichkeiten, um die Zusammenarbeit zu intensivieren. Mit dem Auszug der „IWS Service GmbH“ wurde eine Halle im Gebäude Berliner Tor 13 frei und das Department Maschinenbau und Produktion suchte nach neuen Nutzern. Gerade zur richtigen Zeit für die Forschungsvorhaben um die Professor:innen Stephan Pareigis, Tankred Müller, Christian Rudolph, Tim Tiedemann und Marina Tropmann-Frick der Departments MuP und Informatik.

Das daraufhin gegründete Labor für Elektrische Mobilität (LEM) verfügt nun über eine Fläche von ca. 100 m2, einem separaten Büro sowie einem geräumigen Keller. Derzeit noch im Aufbau, soll hier ein hochmoderner Arbeitsbereich für Forschung und studentische Arbeiten zum Thema „Elektrische Mobilität“ entstehen.

Die für das Projekt Mikromobilität eingestellte Mitarbeiterin Vanessa Linda Claus beschäftigt sich vorrangig mit der Entwicklung elektrischer Maschinen für bedarfsorientierte und nachhaltige Mobilitätsangebote. Das klassische Automobil ist durch seine Auslegung als Universallösung (Langstrecke, vier Personen) für den täglichen Gebrauch in der Stadt überdimensioniert und verbraucht Energie und Stadtfläche im Übermaß. Die auf nachhaltige Fahrzeuge zielende Entwicklung orientiert sich daher an Leichtfahrzeugen für ein bis zwei Personen, Kleinstfahrzeugen wie Pedelecs und elektrische Roller oder autonomen Logistikfahrzeugen. Diese sind für den Stadtverkehr optimaler, da im Durchschnitt nur wenige Personen oder geringe Lasten befördert und nur kurze Fahrtstrecken zurückgelegt werden.

Derzeit befindet sich der erste Elektroantrieb für das Logistikfahrzug Husky kurz vor der Fertigstellung. Das Design des Prototypen hat es allerdings in sich: Mit der „Axialflussmaschine“ oder auch „Scheibenläufer“ handelt es sich um einen neuartigen Typ von E-Maschine. Statt zwei zylindrischen Körpern besteht die Topologie aus zwei oder mehreren „Platten“. Der Vorteil zur klassischen Radialflussmaschine ist eine erhöhte Leistungsdichte. Sprich: Mit weniger Bauvolumen kann die gleiche Leistung und ein hohes Drehmoment erzielt werden. Durch Wiederholung der Struktur, also weiterer Rotoren und Statoren, werden mehr Luftspalte in das System integriert und die Leistung steigt mit geringer Zunahme der Maschinenlänge. Ein anderer Schwerpunkt liegt in der Verwendung als getriebeloser Radnabenantrieb. In Bezug auf diese Anwendung ist die Axialflussmaschine durch ihre Geometrie ideal geeignet.

Nach Fertigstellung des Prototypen im Sommer wird er auf dem laboreigenen Prüfstand für E-Maschinen getestet. In Zukunft entstehen weitere Prüfstände für die Bestimmung von Leistungsdaten und weiterer Eigenschaften elektrischer Maschinen. Derzeit befindet sich ein Rastmomentprüfstand im Aufbau, welcher im Rahmen einer studentischen Arbeit verwirklicht wird. Zwei weitere Maschinenbetten sowie ein Rollenprüfstand für Leicht- und Kleinstfahrzeuge sind in Planung. Im November wird die Bausubstanz der Halle renoviert, um dann in neuem Glanz zu erstrahlen.

Im Untergeschoss wird eine Testumgebung für autonome Applikationen rund um die Themen autonomes Fahren und Machine Learning entstehen, die vornehmlich in entsprechenden Lehrveranstaltungen eingebunden und vom Projekt TIQ genutzt werden wird. So werden neueste Verfahren mit innovativer Sensorik im H0-Format erprobt.

Im Projekt TIQ werden erste Realanwendungen mit dem autonomen Roboter Husky durchgeführt, um dessen Programmierung sich Maximilian Mang und Nils Schönherr kümmern. Innerhalb eines Quartiers, welches ein eigenständiges soziales Bezugssystem darstellt, soll dieser selbstständig den Transport verschiedener Güter übernehmen und etwa Pakete oder Post ausliefern. Sein sechsachsiger Roboterarm ermöglicht es ihm aber auch, komplexere Aufgaben zu erfüllen und mit seiner Umwelt zu interagieren.

Um das Mobilitätsgeschehen im Quartier zu erfassen, Bewegung von Verkehrsteilnehmern vorherzusehen und eine Kommunikation untereinander zu realisieren, arbeitet Maximilian A. De Muirier an der Entwicklung eines Multisensorsystems, auch Sensorknoten genannt. Mittels mehrerer dieser Knoten und einem digitalen Zwilling des Quartiers können die Integration und Koordination von autonomen Systemen sowie Verkehrsteilnehmenden im Quartier erforscht werden, mit dem Ziel, Städte ressourceneffizienter, nachhaltiger, vernetzter, sicherer und sozial inklusiver zu machen.

Zur Inbetriebnahme des Huskys bedarf es noch der Leistungselektronik und Ansteuerung, welche weitere Schwerpunkte innerhalb von TIQ bilden. Die Kernaufgaben von Michael Brüns, der das Teilprojekt am Department MuP betreut, sind die Entwicklung, Auslegung und Verifikation modellbasierter Regelungsverfahren sowie Parameteridentifikation für Drehstromantriebe. Dabei sollen modernste Halbleitertechnologien auf Basis von Galliumnitrid die Ansteuerung von Elektromotoren auf ein neues Level heben und sensorreduzierte Regelungsverfahren zum Einsatz kommen – Themen, die bereits zu ersten Industriekooperationen geführt haben.

Zusätzlich zu den laufenden Aktivitäten werden beginnend mit dem Wintersemester erste Lehrveranstaltungen die Möglichkeiten des Labors für Elektrische Mobilität nutzen, u.a. verschiedene Module der neuen Studienrichtung „Digital Engineering & Mobility“.

Das Team des LEM freut sich auf diese neuen Herausforderungen und weitere interessante Projekte in der Zukunft.

Autor:innen des Artikels:
Vanessa Linda Claus
Maximilian A. De Muirier
Michael Brüns
Dieser Text ist in ähnlicher Form ebenfalls in der Zeitung des "Freundeskreis Maschinenbau und Produktion Berliner Tor e.V." in der Ausgabe Wintersemester 2021/2022 erschienen.