Die Problematik des gender funding gaps
„Women-led startups losing across the board: from creation to funding, in all key European markets“. So lautet der Titel einer im Juni 2023 veröffentlichte Studie der amerikanische Unternehmensberatungsfirma Boston Consulting Group (BCG). Dabei lagen dem Unternehmen Daten aus 1.788 Unternehmensgründungen und 6.157 Fundraisings aus dem Jahr 2022 aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien und Schweden vor. Es ließ sich feststellen, dass Frauen in Startups nicht nur unterrepräsentiert sind, sondern, dass sich ihre Chancen mit jeder Gründungsphase verschlechtern. Ausgehend von der Studie machten Frauen im Jahr 2022 nur 10 % der Startup-Gründer*innen aus. Von diesen 10% entfallen nur 2 % der eingeworbenen Mittel auf die von Frauen gegründeten Unternehmen.
Sichtung dieser Zahlen lässt Vorurteile gegen Frauen als Gründerinnen vermuten. Denn bereits mit dem im Jahr 2018 veröffentlichten Forschungsbeitrag „We ask men to win and women not to lose: Closing the gender gap in startup funding“ zeigte Dana Kanze (Assistant Professor of Organisational Behaviour), dass sich gender bias negativ auf die Akquise von Fördermitteln von Gründerinnen auswirkt. Die Studie zeigt, dass beim Pitch männlichen und weiblichen Gründer*innen Fragen mit unterschiedlichem Tendenzrichtungen gestellt worden sind: Während Investoren männlichen Unternehmern eher Fragen stellen, die sich auf den Erfolg des Startups konzentrieren („promotion-focused questions“); stellen sie weiblichen Gründerinnen Fragen, die sich auf die Prävention eines Misserfolgs beziehen („prevention-focused questions“). Diese „vermutete“ Tendenz seitens der Investor*innen führte zu einer Benachteiligung der Gründerinnen hinsichtlich der Akquise von Fördermitteln. Mit anderen Worten erhalten diejenigen, die promotion-focused questions gestellt bekommen haben, signifikant höhere Finanzierungsbeiträge – in diesem Fall: die Gründer. Auf ähnliche Ergebnisse stoßen wir in anderen Studien (Ewens, 2022; Ewens, 2021; Raina, 2021). Dieses Phänomen wird in der Forschungsliteratur als gender funding gap bezeichnet.
Was ist also zu tun? Einige Praxis-Tipps
- Investor*innen, Business Angels & co. müssen sich vor Augen führen, welches enorme Potenzial verloren geht, wenn Gründerinnen weniger Fördermittel bekommen: Denn Frauen beispielsweise gründen häufiger soziale und nachhaltige Unternehmen (Barrachina Fernández, García-Centeno & Calderón Patier, 2021; Clark Muntean & Ozkazanc-Pan, 2016; Huysentruyt, 2014). Um nicht in die Falle der gender funding gap zu tappen, sind Sensibilisierungsmaßnahmen zum Beispiel in Form von Workshops ein guter Anfang. Zudem sollten Pitches eher datenbasiert gestaltet sein.
Die Business Angels der Organisation SistaAct setzen gezielt auf Förderung von Frauen- und diversen Teams. Über die Webseite lässt sich ganz einfach ein Pitch-Deck senden. Auch European Venture Fund Fund F GmbH verfolgen ein ähnliches Ziel. - Gründerinnen dagegen müssen sich über die unterschiedlichen Frage-Strategien (promotion-focused questions vs. prevention-focused questions) bewusst werden. Denn auch auf eine Frage, die Prävention des Misserfolgs im Fokus hat, kann mit der gegenteiligen Strategie, also einer „promotion-focused answer“ geantwortet werden. Wichtig ist, die Färbung der Frage zu erkennen und darauf mit einer entsprechend positiven Antwort zu reagieren. Zudem kann eine gezielte Suche nach Frauen-Investorinnen sinnvoll sein. Die Behörde für Wirtschaft und Innovation der Freien Hansestadt Hamburg hat eine Liste mit potenziellen Investor*innen veröffentlicht. Dort können Gründerinnen gezielt nach passenden Geldgeberinnen suchen. Auch das Hamburg Investors Network (HIN) kann solch eine Anlaufstelle sein.
- Um die Chancengleichheit und Gleichstellung im Gründungsökosystem voranzutreiben, rief die Bundesregierung die EXIST-Women-Förderlinie ins Leben. Wie Sie sich bewerben können, lesen Sie hier.
Fazit
Gender funding gap führt dazu, dass Frauen weniger Fördermittel für ihre Gründungen bekommen als ihre Konkurrenten. Um dieser Ungleichbehandlung entgegenzuwirken, sollten auf der einen Seite die Investor*innen erkennen, welches Potenzial ihnen verloren geht und sich von den Voreingenommenheiten lösen; auf der anderen Seite empfiehlt es sich den Gründerinnen, keine präventiven Antwortstrategien zu nutzen, sondern die positiven Entwicklungsszenarien ihres Unternehmens hervorzuheben.
Literaturangaben & Empfehlungen
Barrachina Fernández, M., García-Centeno, M. D. C., & Calderón Patier, C. (2021). Women sustainable entrepreneurship: Review and research agenda. Sustainability, 13(21), 12047.
Ewens, M. (2022). Race and Gender in Entrepreneurial Finance (No. w30444). National Bureau of Economic Research.
Ewens, M., & Townsend, R. R. (2020). Are early stage investors biased against women? Journal of Financial Economics, 135(3), 653-677.
Kanze, D., Conley, M. A., Okimoto, T. G., Phillips, D. J., & Merluzzi, J. (2020). Evidence that investors penalize female founders for lack of industry fit. Science Advances, 6(48), eabd7664.
Kanze, D., Huang, L., Conley, M. A., & Higgins, E. T. (2018). We ask men to win and women not to lose: Closing the gender gap in startup funding. Academy of Management Journal, 61(2), 586-614.
Kanze, D., Huang, L., Conley, M. A., & Higgins, E. T. (2017). Male and female entrepreneurs get asked different questions by VCs–and it affects how much funding they get. Harvard Business Review, 27.
Raina, S. (2021). VCs, founders, and the performance gender gap. Finance Down Under 2017 Building on the Best from the Cellars of Finance.
Autorin
Jessica Langolf
Stand: September 2023